Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Glas zu Bruch gegangen.
Als sie herumfuhren, sahen sie, dass ein großer Eiszapfen von der Höhlenkuppel herabgebrochen war – und seine Spitze hatte geradezu zielgenau den Schädel von Eibur Tsanth gespalten, der nun inmitten der Trümmer zersplitterten Eises lag; das vordere Ende des Bruchstückes steckte tief in seinem hervorquellenden Gehirn. Er war sofort tot gewesen, ohne etwas von seinem tödlichen Missgeschick begriffen zu haben.
Der Unfall, so schien es, besaß eine vollkommen natürliche Ursache. Er hätte sich bei jedem Sommerwetter durch ein Anschmelzen des gewaltigen, von der Höhlendecke hängenden Eiszapfens ereignen können. Doch trotz ihres Entsetzens drängten sich Quanga und Hoom Fethos immerhin gewisse Umstände auf, die alles andere als normal oder erklärbar erschienen. Während der Entwendung der Rubine, wovon ihre Aufmerksamkeit so vollkommen beansprucht worden war, hatte das Grotteninnere sich auf die Hälfte seiner vormaligen Breite verengt. Zugleich hatte es sich über ihnen geschlossen, sodass die herabweisenden Eiszapfen sie fast schon berührten gleich den zubeißenden Zähnen eines ungeheuren Maules. Der Ort war dunkler geworden und erfüllt von einem Licht, wie es vielleicht durch dicke Eisschollen in arktische Gewässer hinabsickert. Das Gefälle der Höhle hatte zugenommen, als würde sie in bodenlose Tiefen kippen. Weit oben – unfassbar weit oben – erblickten die beiden Männer den winzigen Einstieg, der jetzt kaum größer erschien als das Loch eines Fuchsbaus.
Im ersten Augenblick waren sie wie vor den Kopf geschlagen. Der Veränderungen, die mit der Höhle vor sich gegangen waren, spotteten jeder natürlichen Erklärung – und die beiden Hyperboreer fühlten gleich einer eisigen Woge all die abergläubischen Schrecken über sich hereinbrechen, die sie zuvor so leichthin abgetan hatten. Nicht länger mehr konnten sie sich über die bewusste, beseelte Bosheit hinwegtäuschen, über die dämonische Unheilsmacht, die dem Eis in alten Legenden zugeschrieben wurde.
Sie erkannten die Gefahr, in der sie schwebten, und getrieben von einer kopflosen Panik begannen sie das Gefälle zu erklimmen. Dabei umklammerte Hoom Fethos den prallen Beutel mit den Rubinen, und eine der schweren Geldtaschen baumelte an seinem Gürtel. Quanga hingegen besaß genügend Geistesgegenwart, um rechtzeitig sein Schwert und den Eispickel aufzuklauben. Doch vergaßen sie in dem Grauen und der Hast ihrer Flucht, die zweite Geldtasche mitzunehmen, die neben Eibur Tsanth unter den Trümmern des zerschellten Eiszapfens lag.
Die übernatürliche Verengung der Höhle und das grässliche und unheimliche Absinken der Höhlendecke schritten offenkundig nicht weiter voran. Zumindest bemerkten die Hyperboreer nichts von einer weiteren Schrumpfung des Hohlraumes, während sie hektisch und gefahrvoll auf den Ausgang zukletterten. Stellenweise mussten sie sich gebückt voranarbeiten, um den mächtigen Eiszapfen zu entgehen, die sich drohend wie Reißzähne auf sie herabsenkten. Außerdem fassten sie trotz ihrer groben Halbstiefel aus Tigerleder nur schwer Tritt auf dem abfallenden Eisboden. Mitunter zogen sie sich an den schlüpfrigen, säulenähnlichen Gebilden nach oben, und oft war Quanga, der die Flucht anführte, gezwungen, mithilfe seines Eispickels hastig Stufen ins Gefälle zu schlagen.
Hoom Fethos war vor lauter Entsetzen zu keinem Gedanken mehr fähig. Doch Quanga kam, während er sich dem Ausgang entgegenmühte, im Geiste nicht von der ungeheuerlichen Wandlung der Höhle los, die er nicht mit seinen reichen und vielfältigen Kenntnissen der Naturerscheinungen in Einklang bringen konnte. Er versuchte sich einzureden, dass er die Größe der Höhle und den Neigungswinkel ihres Bodens aus unerfindlichen Gründen völlig falsch eingeschätzt hatte. Doch vergebens: Noch immer sah er sich mit etwas konfrontiert, wogegen sein Verstand aufbegehrte … mit einer Sache, die das vertraute Antlitz der Welt zu einer Maske gespenstischen, fratzenhaften Wahnsinns verzerrte und ein unheilvolles Chaos in ihre geordneten Abläufe brachte.
Nach einem Aufstieg, der sich grauenvoll in die Länge gezogen hatte gleich dem Versuch, einer aberwitzigen, quälenden Albtraumsituation zu entrinnen, näherten sie sich dem Höhlenausgang. Die spitzen, mächtigen Eiszapfen-Zähne hingen jetzt so tief, dass ein Mann es kaum schaffte, bäuchlings unter ihnen hindurchzukriechen.
Quanga befiel das panische Gefühl, diese Zähne könnten
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