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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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mehr, um das Eis mit Hilfe magischer Sonnen zu bezwingen. Die Menschen flohen vor dem unaufhaltsam vorwärtsstrebenden Gletscher, und befremdliche Legenden gingen um über die Bewohner entlegener Täler, die durch plötzliche, heimtückische Gletscherbewegungen begraben oder von der Außenwelt abgeschnitten wurden, als hätte das Eis mit einem lebendigen Arm nach ihnen gegriffen. Andere Legenden berichteten von grässlichen Gletscherspalten, die jäh aufklafften und sich wie monströse Mäuler über jenen schlossen, die sich in die eisige Einöde hinausgewagt hatten; oder berichteten von Winden gleich dem Odem polarer Dämonen, die mit plötzlicher, äußerster Kälte ins Fleisch der Menschen brausten und sie in Standbilder so hart wie Granit verwandelten. Mit der Zeit wurde das gesamte Gebiet, auch wenn es dem Gletscher noch kilometerweit voraus lag, von jedermann gemieden – und nur die kühnsten Jäger verfolgten ihr Wild bis ins frostöde Land.
    Nun begab es sich, dass der furchtlose Jäger Iluac, der ältere Bruder von Quanga, nach Mhu Thulan vorgedrungen war, als er der Fährte eines riesigen Schwarzfuchses folgte, die ihn weit hinaus auf die flache Eisdecke führte. Er jagte das Tier über viele Wegstunden, ohne jemals auf Bogenschussweite an seine Beute heranzukommen. So gelangte er schließlich zu einer großen Erhebung inmitten der Eisfläche, die aussah, als läge darunter ein Hügel begraben. Iluac glaubte, der Fuchs hätte eine Höhle als Unterschlupf genommen, deren Eingang in der Hügelflanke klaffte. Daher pirschte er, den Bogen im Anschlag und einen vergifteten Pfeil auf der Sehne, in diese Höhle hinein.
    Was er vorfand, glich einer Halle nordischer Könige oder Götter. Ringsum herrschte ein düsteres, grünes Licht, in dem gewaltige, glitzernde Säulen emporstrebten, und riesige Eiszapfen stalaktitenförmig von der Decke herabwiesen. Der Boden verlief abwärts geneigt, und Iluac gelangte bis ans Ende der Höhle, ohne die geringste Spur von dem Fuchs entdeckt zu haben.
    Doch in den durchsichtigen Tiefen der gegenüberliegenden Wand, am unteren Höhlenende, erblickte er die aufrecht stehenden Konturen zahlreicher Männer, tiefgefroren und eingeschlossen wie in einer Gruft, mit unverwesten Körpern und schönen, unverfallenen Gesichtszügen. Die Männer waren mit langen Speeren bewaffnet und die meisten trugen die Rüstung von Soldaten. Doch unter ihnen, in vorderster Reihe, ragte eine stolze Gestalt auf, gekleidet in die meerblaue Robe eines Königs, und neben ihr stand ein gebeugter Greis, der den nachtschwarzen Habit eines Hexenmeisters trug. Die Gewänder der königlichen Gestalt waren üppig bestickt mit Edelsteinen, die gleich farbigen Sternen durch das Eis strahlten – und große Rubine, rot wie Tropfen frisch gerinnenden Blutes, prangten in Form eines Dreiecks auf der Brust der Königsrobe und bildeten das Machtsymbol der Könige von Iqqua. Somit wusste nun Iluac anhand dieser Erkennungszeichen, dass er das Grab von Haalor und Ommum-Vog und der Krieger entdeckt hatte, die vor Zeiten mit ihnen ausgezogen waren, um das Eis zu besiegen.
    Von Angst ergriffen wegen der Unwirklichkeit und Fremdartigkeit dessen, was er sah, gedachte Uluac der alten Legenden. Und erstmals im Leben sank ihm der Mut, und er verließ die Grotte, ohne zu säumen. Den Schwarzfuchs konnte er nirgends mehr finden. Daher gab er die Jagd auf, schlug den Rückweg nach Süden ein und kehrte unbeschadet in die Gefilde jenseits des Gletschers zurück.
    Später jedoch schwor er Stein und Bein, dass das Eis sich auf unheimliche Weise verändert habe, während er dem Fuchs nachspürte, sodass er eine Zeit lang kaum wusste, welche Richtung er nahm, nachdem er aus der Höhle geflüchtet war. Er stieß auf unerwartet emporstrebende Eishänge und Aufwerfungen, wo vordem keine gewesen waren, was seinen Rückmarsch zu einer beschwerlichen Reise machte. Und die Eisbildung schien sich viele Kilometer weit über ihre früheren Grenzen hinweg auszuweiten.
    Wegen dieser Dinge, die er weder zu erklären noch zu begreifen vermochte, erwuchs eine seltsame, gespenstische Furcht in Iluacs Herz. Niemals mehr begab er sich danach auf den Gletscher hinaus. Doch erzählte er seinem Bruder Quanga von dem, was er entdeckt hatte, und beschrieb ihm, wo die Eisgrotte zu finden war, in der König Haalor und Ommum-Vog und ihre Soldaten ruhten. Kurz darauf wurde Iluac von einem weißen Bären getötet, auf den er all seine Pfeile wirkungslos verschossen

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