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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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verlief ein seichter Abstieg, dessen Riefen und Rillen den Sohlen Halt boten, bis zu den grünen Auen hinab. Voller Furcht, dass es sich am Ende um eine unwirkliche Täuschung handelte – eine schöne, verlockende Falle, eine neue Heimtücke jenes Elementes, das er inzwischen als grausamen und übermächtigen Dämon ansah – hastete Quanga den Abstieg in langen Sätzen und Sprüngen hinab. Sogar noch als er bis zu den Knöcheln in den hohen Bärlapp-Ähren stand, umgeben von dicht belaubten Weiden und Riedgrasbüscheln, konnte er nicht recht fassen, dass er wirklich entkommen war.
    Noch immer trieb ihn der blinde Fluchtimpuls einer panischen Angst voran – und ein Urinstinkt, nicht minder blind, trieb ihn in Richtung der Vulkanberge. Dieser Instinkt sagte ihm, dass er in ihrer Umgegend Zuflucht vor der bitteren Nordkälte finden würde und dass er nur dort oder nirgends vor den teuflischen Machenschaften des Gletschers in Sicherheit wäre. Dem Vernehmen nach sprudelten unablässig siedende Quellwasser über die niedrigeren Hänge dieser Berge und gewaltige Geysire, die gleich Höllenkesseln brodelten und zischten, fluteten die höher gelegenen Schluchten mit kochenden Wasserstürzen. Die anhaltenden Schneestürme, die über Hyperborea hinwegfegten, wurden in der Umgebung der Vulkanberge zu milden Sommerregen. Und dort gedieh zu allen Jahreszeiten eine üppige, in schwülen Farben blühende, nunmehr exotische Pflanzenwelt, die jedoch einstmals in der ganzen Gegend heimisch gewesen war.
    Die kleinen, zottigen Pferde, die Quanga und seine Gefährten an den Zwergweiden im Weidetal festgeleint hatten, waren nicht mehr auffindbar. Vielleicht war es doch nicht dasselbe Tal. Wie auch immer, Quanga ließ sich in seiner Flucht nicht aufhalten, um nach den Tieren zu suchen. Nachdem er furchtsam über die Schulter auf die Gletschermasse zurückgeblickt hatte, marschierte er unverzüglich in gerader Richtung den rauchverhangenen Bergen entgegen.
    Die Sonne sank weiter, zog endlos lang über den südwestlichen Horizont und übergoss das unbezwingbare Eis und die hügelige Landschaft mit einem fahlen, violettfarbenen Schein. Quanga, dessen stählerne Muskeln an Gewaltmärsche gewöhnt waren, drängte unermüdlich voran, während in seinem Nacken beständig das Grauen saß. Dabei wurde er allmählich von der langen, fast schon unwirklichen Dämmerung des nördlichen Sommers eingeholt.
    Irgendwie hatte Quanga durch alle Widrigkeiten seiner Flucht hindurch den Eispickel und seinen Bogen mit den Pfeilen behalten. Reflexhaft hatte er schon vor Stunden den schweren Beutel voller Rubine unter dem Oberteil seiner Kleidung an der Brust geborgen. Er dachte gar nicht mehr daran und bemerkte auch nicht das Tröpfeln der von den Rubinen abschmelzenden Eiskrusten, die durch die Eidechsenhaut des Beutels sickerten und über seine Haut rannen.
    Während er eines der zahllosen Täler durchquerte, stolperte er über eine aus dem Boden ragende Weidenwurzel. Beim Sturz ließ er den Eispickel fallen. Er kam wieder auf die Füße und rannte sofort weiter, ohne den Pickel aufzuheben.
    Inzwischen zeichnete sich am dunkler werdenden Himmel der rötliche Schein der Vulkane ab. Das Leuchten wurde heller, je weiter Quangas Flucht ihn trug. Quanga glaubte bereits, dass er dem lang ersehnten, sicheren Zufluchtsort nahe war. Obwohl er nach den übermenschlichen Prüfungen noch immer an Leib und Seele erschüttert war und eine schreckliche Furcht sein Herz erfüllte, regte sich in ihm die Zuversicht, dem Eisdämon doch noch entkommen zu können.
    In diesem Moment wurde er sich eines verzehrenden Durstes bewusst, den er bisher unterdrückt hatte. Er wagte es, seine Flucht in einem der schattigen Täler zu unterbrechen, wo er aus einem blütengesäumten Bach trank. Danach warf er sich, übermannt von einer unbemerkt angewachsenen Erschöpfung, ins Gras, um inmitten der blutroten Mohnblumen, die das Zwielicht purpurn färbte, kurz auszuruhen.
    Der Schlaf senkte sich gleich weichen und betäubenden Schneeflocken auf seine Augenlider, wurde jedoch bald schon von bösen Träumen gestört, in denen Quanga noch immer hilflos vor dem höhnischen, erbarmungslosen Gletscher floh. Er erwachte in eiskaltem Schrecken, schweißbedeckt und zitternd, den Blick auf das nördliche Firmament geheftet, wo langsam ein zarter roter Streifen verblasste. Im kam es vor, als zöge ein mächtiger Schatten, böse und gewaltig und irgendwie stofflich, am Horizont entlang und glitte über

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