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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Sofort schien es, als wäre die Luft erfüllt von wogenden Phantomen – eine geräuschlose, tausendfache Explosion, die über uns hereinbrach und unsere Nasen mit Gruftgestank versengte, bis wir würgten und keuchten und taumelnd um unser Gleichgewicht kämpften. Und dennoch fühlten wir keinerlei Kollision mit den grauenhaften Gestalten, die um uns herum und durch uns hindurchfluteten und in alle Richtungen stoben, so als hätte jedes Atom des brennenden Pulvers einen eigenen Gespensterdämon freigesetzt.
    Hastig pressten wir dicke, rechteckige Stofffetzen auf unsere Nasen, die wir dank Veezis Vorwarnung zu diesem Zweck mitgenommen hatten. Etwas von unserer gewohnten Kaltblütigkeit kehrte zurück und wir drangen durch die brodelnde Meute voran. Lüstern ineinander verschlungene blaue Kadaver umtanzten uns. Über unseren Köpfen bogen sich Mischwesen aus Frauen und Tigern. Doppelköpfige und dreischwänzige Ungeheuer, Kobolde und Ghoule stiegen kreuz und quer zur hohen Decke auf oder verwirbelten und verschmolzen in der Luft zu weiteren und noch unsäglicheren Spukgestalten. Grüne Meeresgeschöpfe, die Verschmelzungen aus Wasserleichen mit Tiefseekraken glichen, ringelten sich auf Spuren nasskalten Schleims über den Boden dahin.
    Dann hörten wir die Entsetzensschreie der Tempelbewohner und ihrer Besucher und begegneten immer mehr nackten Männern und Frauen, die wie wahnsinnig durch jene Armee zudringlicher Phantome zu den Ausgängen stürzten. Diejenigen von ihnen, die von Angesicht zu Angesicht mit uns zusammentrafen, wichen zurück, so als ob auch wir unsagbar grässliche Schreckgespenster wären.
    Die nackten Männer waren zumeist jung. Ihnen folgten Kaufleute und Ratsherren mittleren Alters, kahlköpfig und schmerbäuchig, einige in Unterwäsche, andere in hastig aufgeklaubten Hüllen, die zu kurz waren, um sie unterhalb der Hüften zu bedecken. Die unterschiedlichsten Frauen – schlanke und dralle, zierliche und fette – stolperten kreischend zu den Außentüren. Keine von ihnen, so stellten wir erfreut fest, hatte ihren Keuschheitsgürtel anbehalten.
    Zuletzt erschienen die Tempelwächter und Priester, die Münder aufgerissen zu weiten Ovalen der Angst, denen schrille Schreie entwichen. Sämtliche Wächter hatten ihre Sicheln fallen gelassen. Sie rauschten an uns vorüber, blind für unsere Anwesenheit, und rannten hinter den anderen her. Rasch verdeckte das Heer der aus dem Pulver erweckten Gespenster sie vor unseren Blicken.
    Zufrieden, dass der Tempel nun von seinen Bewohnern und Besuchern leer gefegt worden war, richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf den ersten Korridor. Die Türen der einzelnen Zimmer standen allesamt offen. Wir teilten uns auf, jeder übernahm einen Raum und klaubte zwischen zerwühlter Bettwäsche und über den Boden verstreuter Bekleidung die abgelegten Gürtel aus edelsteinverziertem Gold hervor. Am Ende des Korridors trafen wir wieder zusammen und warfen unsere gesammelte Beute in den Sack aus dünnem und doch festem Stoff, den ich unter meinem Mantel mitgeführt hatte. Viele von den Phantomen schweiften noch immer umher, verschmolzen zu weiteren und noch grässlicheren Gestalten und ließen ihre Körperteile auf uns herabregnen, als sie sich kräuselnd aufzulösen begannen.
    Bald hatten wir alle Gemächer durchsucht, die den Frauen gehörten. Der Sack für das Raubgut war gefüllt, und als wir das Ende des dritten Korridors erreichten, hatte ich achtunddreißig Gürtel gezählt. Ein Gürtel fehlte noch; doch Vixeelas scharfe Augen erhaschten das Schimmern einer smaragdbesetzten Gürtelschließe, die in einer Ecke unter den verwehenden Beinen einer haarigen, satyrartigen Spukerscheinung auf einem Haufen von Männerkleidern hervorlugte. Sie schnappte sich den Gürtel und behielt ihn während unserer Flucht in der Hand.
    Wir eilten zurück zum Hauptschiff mit dem Standbild der Göttin, wo wir keine Seele mehr anzutreffen erwarteten. Zu unserer Verblüffung stand der Hohepriester, dessen Namen Vixeela als Marquanos kannte, vor dem Altar. Er drosch mit einem langen, phallischen Bronzestab, der das Zeichen seines Amtes war, auf einige der Spukgestalten ein, die noch immer in der Luft herumgeisterten.
    Als wir herankamen, stürzte Marquanos mit einem heiseren Schrei auf uns zu und teilte einen Hieb gegen Vixeela aus, der ihren Schädel gespalten hätte, wäre sie nicht geschmeidig zur Seite ausgewichen. Der Hohepriester strauchelte und verlor fast das Gleichgewicht. Ehe er abermals

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