Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
haben, werden wir die Stunde vor Sonnenaufgang abwarten und dann gemeinsam mit anderen Obst- und Gemüsehändlern Einzug in die Stadt halten.«
Indem wir uns so weit wie möglich von den öffentlichen Plätzen entfernt hielten, wo die Präsenz der Polizei um die Tavernen und billigeren Bordelle am Größten war, umrundeten wir Uzuldarum und entdeckten in einiger Entfernung vom Tempel der Mondgöttin eine Straße, die aufs Land hinausführte. Bald wurde der Urwald dichter und die Häuser spärlicher. Niemand sah uns, als wir in eine Seitenstraße einbogen, die von schiefen Palmen überwölbt und immer mehr von dichtem Gebüsch verschlossen war. Über zahlreiche verschlungene Nebenpfade erreichten wir den Karren mit dem Eselsgespann, der den Blicken so geschickt entzogen war, dass sogar ich seine Nähe nur aufgrund des stechenden Geruchs von Rübengemüse und der Ausdünstung frisch gefallenen Dungs bemerkte. Die beiden Zugtiere waren für die Anforderungen von Dieben ideal abgerichtet – denn wir hörten nicht einen Eselsschrei, der ihre Gegenwart verraten hätte.
Wie bahnten uns nun den Weg über Wurzelstränge hinweg und zwischen dicht gedrängten Baumstämmen hindurch, die das weitere Vorwärtskommen für einen Karren unmöglich machten.
Ich selbst hätte die Höhle übersehen, doch Veezi Phenquor hielt inne, ging vor einem kleinen Hügel in die Hocke und zerrte die verstrickten Ranken auseinander, wodurch er eine teilweise eingebrochene, schwarze Felsöffnung freilegte, die gerade groß genug war, dass ein Mann auf Händen und Knien hindurchpasste.
Wir entfachten die Fackeln, die wir mitgebracht hatten, und krochen in die Höhle hinein, Veezi vorneweg. Zum Glück war die Höhle dank der regenarmen Jahreszeit trocken und unsere Kleidung wurde lediglich ein wenig mit Erde verdreckt, was ja an Landarbeitern unverdächtig wirkt.
Die Höhle besaß enge Stellen, wo sich herabgefallenes Geröll häufte. Bei meiner Leibesbreite fiel es mir manchmal schwer, mich hindurchzuzwängen. Wir hatten eine unbestimmte Strecke zurückgelegt, als Veezi anhielt und aufrecht vor einer Wand aus glattem Mauerwerk stehen blieb, in der schattenhafte Stufen aufwärts führten.
Vixeela schlüpfte an ihm vorbei und stieg die Stufen hinauf. Ich folgte ihr. Die Finger ihrer freien Hand glitten über eine große, ebene Steinplatte, die den Treppenaufgang versperrte. Lautlos begann der Stein nach oben zu kippen. Vixeela blies ihre Fackel aus und legte sie auf der obersten Stufe nieder, während die Öffnung größer wurde und einen düsteren, flackernden Lichtschein herabfallen ließ. Sie spähte vorsichtig über die Oberkante der Steinplatte, die von dem verborgenen Mechanismus vollständig hochgeklappt wurde, und kletterte dann durch die entstandene Öffnung empor, wobei sie uns mit einem Wink bedeutete, ihr zu folgen.
Wir standen im Schatten einer umfänglichen Säule seitlich im hinteren Teil des Tempels der Mondgöttin. Kein Priester, keine Frau und kein Besucher waren in Sicht, doch hörten wir aus unbestimmter Entfernung das verschworrene Geraune von Stimmen. Das Standbild der Mondgöttin thronte, ihr ehrwürdiges Hinterteil uns zugekehrt, auf einem hohen Podest in der Mitte des Hauptschiffs. Altarfeuer mit goldenen, blauen und grünen Flammen flackerten unstet vor der Göttin, sodass ihr Schatten sich auf dem Boden der rückwärtigen Mauer wand wie ein ekstatischer Gigant im Paarungstanz mit einer unsichtbaren Gespielin.
Vixeela fand und bediente die Feder, die die Steinplatte zurücksenkte und wieder zu einem Bestandteil des ebenen Bodens machte. Dann stahlen wir drei uns voran, wobei wir uns stets im Schatten der Göttin hielten. Das Hauptschiff war noch immer verlassen, doch drang jetzt auf einer Seite deutlicher Lärm hinter offen stehenden Türen hervor und gerann zu ausgelassenen Schreien und hysterischen Lachsalven.
»Jetzt!«, flüsterte Veezi Phenquor.
Ich zog die Phiole, die er uns gegeben hatte, aus einer Seitentasche hervor und entfernte das Wachs mithilfe eines scharfen Messers. Der Korken, halb verfault vor Alter, ließ sich leicht herausziehen. Ich goss den Inhalt der Phiole auf der untersten rückwärtigen Stufe von Leniquas Podest aus – ein fahl leuchtendes Rinnsal, das vor unheimlichem Leben züngelte und zuckte, als es in den Schatten der Göttin hineinleckte. Sowie die Phiole leer war, setzte ich das aufgehäufte Pulver in Brand.
Es entzündete sich augenblicklich mit heller und hoch lodernder Flamme.
Weitere Kostenlose Bücher