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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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ich mir vor Augen führte, welch sonderbarem Schicksal sich Angarth und Ebbonly aus freien Stücken und auch noch mit Freuden unterworfen hatten. Andererseits verspürte ich jenen verhängnisvollen Drang – und vielleicht noch etwas mehr als das –, der einen Entdecker in ferne Länder zieht ...
    In dieser Nacht schlief ich schlecht, gequält von nur schwer fassbaren Vorahnungen. Meine Fantasie war erregt von verborgen lauernden Gefahren, von unermesslicher Pracht und endlosen Weiten. Früh am nächsten Morgen, als die Sonne noch über den Bergen Nevadas stand, kehrte ich zum Crater Ridge zurück. Ich trug ein robustes Jagdmesser und einen Colt-Revolver bei mir, dazu einen gefüllten Patronengurt und einen Rucksack, in dem ich belegte Brote und eine Thermoskanne mit Kaffee verstaut hatte.
    Bevor ich aufbrach, verstopfte ich mir die Ohren mit Watte, die mit einer neuartigen narkotischen Flüssigkeit getränkt war. Das Mittel war zwar schonend, dafür jedoch höchst wirksam und würde mich für Stunden vollkommen taub machen. Derart vorbereitet, fühlte ich mich gegen die demoralisierende Musik des Feuerbrunnens gewappnet. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über die zerklüftete Landschaft und die grandiose Aussicht schweifen und fragte mich, ob ich diesen Anblick je wiedersehen würde. Dann machte ich entschlossen, aber mit einem flauen Gefühl in der Magengrube und dem Schauder, den jemand empfinden mag, der im Begriff steht, sich von einer hohen Klippe zu stürzen, einen Schritt nach vorn zwischen die beiden grünlich-grauen Felsblöcke.
    Im Großen und Ganzen empfand ich das Gleiche, was Angarth in seinem Tagebuch beschrieben hatte. Schwärze und eine unendliche Leere umfingen mich. Ich wurde umhergewirbelt, so als sei ich in einen Strudel oder einen brausenden Sturmwind geraten, in Windungen ging es abwärts, ich weiß nicht, wie lange, und vermochte es auch hinterher nicht abzuschätzen. Ich bekam keine Luft und konnte in dem eisigen Vakuum, das meine Muskeln erstarren ließ und mir bis ins Mark drang, nicht mehr atmen. Mir war klar, dass ich kurz davor stand, das Bewusstsein zu verlieren und in eine tiefe Ohnmacht, wenn nicht gar den Abgrund des Todes zu sinken. Dann schien etwas meinen Sturz aufzufangen, und ich merkte, dass ich auf den Beinen stand, obgleich ich eine ganze Zeit über nicht zu sagen vermocht hätte, ob ich mich nun in der Vertikalen oder der Horizontalen befand oder gar kopfüber auf der festen Erde, auf der meine Füße jetzt standen. Langsam, wie eine allmählich sich verziehende Wolke, lichtete sich das Dunkel, und ich sah den mit violettem Gras bewachsenen Hang, die unregelmäßigen Reihen von Findlingen, die von meinem Standpunkt aus abwärts verliefen, und die beiden grau-grünen Säulen direkt neben mir. Vor mir erblickte ich die aus rotem Stein erbaute, in den Himmel strebende Titanenstadt, die die hohe, vielfarbige Vegetation der Ebene beherrschte.
    Alles war ungefähr so, wie Angarth es geschildert hatte; und doch gewahrte ich einige nur schwer zu beschreibende Unterschiede, die einem nicht sofort ins Auge fielen; landschaftliche Details und zum Teil auch eine Stimmung, auf die sein Bericht mich nicht vorbereitet hatten. Allerdings war mir zu diesem Zeitpunkt noch viel zu schwindlig und ich war noch viel zu überwältigt von dem Anblick, der sich mir bot, um mir darüber Gedanken zu machen.
    Wie ich so die Stadt mit ihren Mauern und Zinnen und ihren zahllosen, drohend in die Höhe ragenden Türmen betrachtete, fühlte ich mich gleichsam umgarnt und von etwas Unsichtbarem angezogen. Mich überkam das drängende Verlangen, die hinter den gewaltigen Mauern und den Myriaden von Bauwerken verborgenen Geheimnisse zu erkunden. Doch schon im nächsten Moment zwang etwas Unerklärliches meinen Blick wie durch einen widerstreitenden Drang in die entgegengesetzte Richtung, zum Horizont jenseits der Ebene.
    Wahrscheinlich weil die Schilderungen meines Freundes mir ein so deutliches, klares Bild vermittelt hatten, war ich überrascht, um nicht zu sagen: verstört. Fast war es so, als hätte ich einen Fehler entdeckt, als ich in der Ferne die schimmernden Turmspitzen einer weiteren Stadt – die Angarth mit keinem Wort erwähnt hatte – wahrnahm. Meilenweit erhoben sich Reihe um Reihe dicht gedrängt ihre Türme in sonderbar bogenartiger Formation. Deutlich zeichneten sie sich vor einer dunklen Wolkenmasse ab, die sich hinter ihnen zusammenballte und in düsteren, nichts Gutes verheißenden

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