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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Und als über den höchsten Bäumen schließlich drohend Wall um Wall vor mir aufragte und ich im Schatten der Mauern aus dem Wald trat, sah ich, dass das gewaltige Stadttor geschlossen war und es auch nicht den geringsten Spalt gab, durch den ein Pygmäe wie ich Zutritt erlangen konnte.
    Mit einem tiefen, sonderbaren Unbehagen, wie man es im Traum empfinden mag, wenn dieser einen unerwünschten Verlauf nimmt, betrachtete ich die trostlose, unerbittliche Schwärze des Tores, das aus einer einzigen riesigen, glanzlosen Metallplatte gearbeitet schien. Dann spähte ich die sich wie ein Berghang steil über mir aufragende Mauer hinauf und stellte fest, dass die Zinnen anscheinend verlassen waren. Hatten die Bewohner, die Hüter der Flamme, ihre Stadt aufgegeben? Stand sie den aus entlegenen Welten anreisenden Pilgern, die die Flamme anbeten und sich ihr opfern wollten, nicht länger offen?
    Minutenlang verharrte ich wie benommen, ehe ich mich mit einem merkwürdigen Widerwillen abwandte, um den Weg, den ich gekommen war, wieder zurückzugehen. In der Zwischenzeit war die dunkle Wolkenmasse wesentlich näher gerückt und verdeckte mittlerweile die Hälfte des Himmels mit zwei unheilvollen Ausläufern. Es war ein bedrohlicher Anblick; abermals flammte die Wolkenmasse in jenem unheilvollen, zornigen Rot auf, gefolgt von einem Donnern, dessen Druckwellen jede Faser meines Körpers erschütterten und, obwohl ich nichts hörte, beinahe mein Trommelfell platzen ließen.
    Ich zögerte, weil ich fürchtete, das Gewitter würde über mich hereinbrechen, ehe ich das Dimensionstor erreichte. Denn mir war klar, dass ich es mit einem äußerst heftigen Aufruhr elementarer Gewalten zu tun bekäme, wie ich ihn bisher noch nie erlebt hatte. Plötzlich nahm ich mitten in der Luft, direkt vor der drohenden, immer weiter anwachsenden Sturmfront zwei fliegende Kreaturen wahr, die ich allenfalls mit gigantischen Faltern vergleichen kann. Leuchtend hell hoben sich ihre Flügel von der tiefschwarzen Wolkenwand ab, als sie in geradem, pfeilschnellem Flug auf mich zukamen. Um ein Haar wären sie frontal gegen das geschlossene Tor geprallt, hätten sie nicht im letzten Augenblick mit erstaunlicher Leichtigkeit abgebremst.
    Fast ohne mit den Schwingen zu schlagen, landeten sie neben mir und verharrten einen Moment lang. Sie standen auf sonderbaren, zerbrechlich dünnen Beinchen, deren Kniegelenke in frei schwebende Fühler und auf und ab wogende Tentakel abzweigten. Die Häute ihrer Flügel leuchteten farbenprächtig: perlweiß, rötlich, schwarz wie Opale und schillernd orange. Rings um den Kopf saßen eine ganze Anzahl konvexer und konkaver Augen und an den Seiten Organe, vergleichbar den Hörnern einer Schnecke, aus deren hohlen Enden fühlerartige Fäden hingen. Ihr Anblick überraschte und verwirrte mich, doch aus einem unerfindlichen Grund, vielleicht einer Art Gedankenübertragung heraus, war ich sicher, dass sie mir gegenüber nur freundliche Absichten hegten.
    Mir war klar, dass sie in die Stadt wollten und dass sie begriffen, in welch misslicher Lage ich mich befand. Dennoch war ich nicht vorbereitet auf das, was geschah. Mit flinken, graziösen Bewegungen postierte sich eines der riesenhaften, schmetterlingsgleichen Wesen zu meiner Rechten, das andere zu meiner Linken, und ehe ich mich versah, umfingen ihre langen Tentakel meinen Körper und meine Glieder, schlangen sich um mich wie kräftige Taue. Darauf erhoben sie sich, mich zwischen sich tragend, als wäre mein Gewicht nicht der Rede wert, in die Luft, aufwärts an den mächtigen Wällen entlang!
    Während des raschen, mühelosen Aufstiegs schien die Mauer wie eine Woge geschmolzenen Gesteins neben und unter uns wegzugleiten. Mir schwindelte, als ich die riesigen Steinblöcke in endloser Folge einen nach dem anderen unter mir wegstürzen sah. Dann erreichten wir auch schon die breiten Wehrgänge, flogen über die unbewachten Brüstungen hinweg und über einen freien Platz, der sich wie eine Schlucht unter uns auftat, den rechtwinkligen Bauwerken und zahllosen quadratischen Türmen entgegen.
    Kaum hatten wir die Mauern hinter uns gelassen, da wurden die Gebäude vor uns von einem flackernden Schein erhellt. Abermals glomm die gewaltige Wolke auf. Doch offensichtlich achteten die Schmetterlingswesen nicht darauf. Unbeirrt flogen sie weiter in die Stadt hinein, ihre sonderbaren Gesichter einem nicht erkennbaren Ziel zugewandt. Doch als ich mich umschaute, um das heranziehende Gewitter

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