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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Fasern über den leuchtend bernsteinfarbenen Himmel ausbreitete.
    Von den fernen, glänzenden Turmspitzen schien etwas Beunruhigendes auszugehen. In demselben Maß, in dem jene andere, näher gelegene Stadt mich anzog, fühlte ich mich von diesen Türmen abgestoßen. Ich sah sie in einem bösartigen Funkeln beben und pulsieren, so als wären sie lebendig, als bewegten sie sich. Das von der Atmosphäre gebrochene Licht musste meinen Augen wohl einen Streich spielen. Einen Lidschlag lang glomm die dunkle Wolke hinter ihnen, der gesamte Wolkenberg, in einem trüben, bedrohlichen Rot … selbst ihre suchenden Ranken und Fühler wurden zu purpurn schimmernden, feurigen Fäden.
    Das rote Glühen verblasste und die Wolke war wieder reglos und plump wie zuvor. Doch um zahlreiche der zuvorderst gelegenen Türme fuhren rötlich-violette Feuerlanzen auf den Boden der Ebene herab. Gut eine Minute lang loderten sie aufrecht und schwenkten langsam über einen großen Bereich, ehe sie schließlich erloschen. In den Zwischenräumen zwischen den Türmen nahm ich eine Vielzahl glimmender, rastlos wogender Partikel wahr, gleich einer Armee widerspenstiger Atome, und fragte mich, ob es sich womöglich um lebende Wesen handelte. Wäre mir die Vorstellung nicht so absurd erschienen, hätte ich schwören können, dass die ferne Stadt ihre Lage verändert hatte und gegen die andere Stadt auf der Ebene vorrückte.
    Abgesehen von dem Aufblitzen der Wolke, den aus den Türmen schießenden Flammen und dem zitternden Wogen, das ich für ein Phänomen der Lichtbrechung hielt, war die gesamte Landschaft vor mir und rings um mich unnatürlich ruhig. In der seltsam bernsteinfarbenen Luft lag eine tiefe Stille über den violetten Gräsern und den üppigen Laubdächern unbekannter Baumarten, wie sie einem verheerenden Wirbelsturm oder fürchterlichen Erdbeben vorausgehen mag. Niedergedrückt von düsterer, elementarer Verzweiflung schien der verfinsterte Himmel ein Verhängnis kosmischen Ausmaßes zu verheißen.
    Von der unheilvollen Atmosphäre in Angst versetzt, schaute ich hinter mich auf die beiden Säulen, die, Angarth zufolge, das Tor zurück in die Welt der Menschen darstellten. Einen Augenblick lang war ich versucht umzukehren. Dann wandte ich mich erneut der nahe gelegenen Stadt zu und die soeben beschriebenen Eindrücke wichen einer überwältigenden Ehrfurcht und grenzenlosem Erstaunen. Angesichts der schieren Ausmaße der mächtigen Bauwerke erfasste mich eine starke Ergriffenheit und eine tiefe, überirdische Begeisterung. Allein die Umrisse der Bauten übten einen unwiderstehlichen Zauber auf mich aus, wie Harmonien einer erhabenen architektonischen Melodie. Ich vergaß meinen Drang, nach Crater Ridge zurückzukehren, und marschierte los, den Hang hinab auf die Stadt zu.
    Schon bald wölbte sich das Geäst des purpur-gelben Waldes über mir wie die Decke eines von Titanen errichteten Ganges, das Laubwerk verzierte das herrliche Firmament mit prachtvollen Arabesken. Dazwischen erhaschte ich hin und wieder einen flüchtigen Blick auf die Reihen einander überragender Mauern meines Bestimmungsortes; doch als ich zurückschaute, in die Richtung jener anderen Stadt am fernen Horizont, stellte ich fest, dass ihre Blitze schleudernden Türme dem Blick entschwunden waren.
    Allerdings sah ich, dass die gewaltige dunkle Wolkenmasse sich immer höher am Himmel türmte und abermals wie gespenstisches Wetterleuchten in einem düsteren, bösartigen Rot erglomm. Obwohl ich mit meinen betäubten Ohren nichts zu hören vermochte, erbebte der Boden unter meinen Füßen wie von Donnergrollen. Die Schwingungen hatten etwas Merkwürdiges an sich, wie ein dröhnender Missklang gingen sie einem durch Mark und Bein, schmerzhaft wie Glasscherben, und zerrten an meinen Nerven, als würde ich auf der Streckbank gefoltert.
    Wie zuvor Angarth gelangte auch ich an die mit zyklopischen Steinblöcken gepflasterte Straße. Ich folgte ihr, und in der Stille, die nach den Donnerschlägen eingekehrt war, spürte ich ein anderes, wesentlich unaufdringlicheres Beben, eher ein Vibrieren, und wusste, dass es von der Singenden Flamme im Herzen der Stadt stammte. Es wirkte beruhigend, hob meine Stimmung und schien mich weiterzutragen, mit sanften Liebkosungen den Schmerz zu vertreiben, den die qualvollen Donnerschläge hinterlassen hatten.
    Unterwegs begegnete ich niemandem und wurde auch nicht, wie seinerzeit Angarth, von zwischen den Dimensionen wandernden Pilgern überholt.

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