Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
lebte ein hübsches Mädchen, und schon bald war Sujah Ali heillos in sie vernarrt. Zu guter Letzt heiratete er sie, und sie übte einen so großen Einfluss auf ihn aus, dass Amina, die bis dahin geglaubt hatte, sie selbst genieße die höchste Wertschätzung ihres Ehemannes, eifersüchtig wurde. Mit der Zeit erkannte sie, wie weit seine Verliebtheit ging. Ihre Eifersucht wurde immer heftiger, immer quälender und brachte sie schließlich dazu, das Dorf eines Nachts heimlich zu verlassen und den Kapitän eines britischen Schiffes aufzusuchen, das bereits seit Wochen auf dem Fluss kreuzte. Diesem Mann, einem gewissen Rankling Sahib, enthüllte sie den Zugang zu Sujah Alis geheimem Versteck. Mit ihrem Verrat wollte sie sich wahrscheinlich eher an ihrer Rivalin als an dem Sultan rächen.
Um Mitternacht glitt das Schiff von Rankling Sahib, geführt von Amina, durch das Labyrinth aus Urwalddickicht und Wasserläufen. Sahib sprang mit seiner Mannschaft an Land und drang in das Dorf ein. Die völlig überraschten Malaiien leisteten kaum Widerstand. Viele blickten beim Erwachen in die Mündungen geladener Gewehre und ergaben sich ohne Gegenwehr.
Sujah Ali, der den ganzen Abend wach gelegen und sich den Kopf über die Ursache von Aminas Verschwinden zerbrochen hatte, stürmte mit einem halben Dutzend Männer aus seiner Hütte und versuchte zu fliehen – doch vergeblich. Was folgte, war ein verzweifelter Kampf, in dem er seinen Kris, denselben, den du hier siehst, einsetzte, und zwar mit tödlicher Wirkung. Zwei der Engländer streckte er nieder, sodass sie tot liegen blieben, einen dritten verletzte er schwer.
Rankling Sahib hatte Befehl gegeben, den Sultan, wenn möglich, lebend gefangen zu nehmen. Und zu guter Letzt wurde der Sultan, verwundet, entkräftet und auf allen Seiten von Feinden umgeben, auch gefangen gesetzt. Am nächsten Morgen brachten sie ihn den Fluss hinab nach Singapur.
Dies ist sein Kris, den du in der Hand hältst.«
Die Abscheulichkeiten von Yondo
Der Sand der Wüste von Yondo gleicht nicht dem Sand anderer Wüsten, denn Yondo liegt der Randzone der Welt sehr nahe; sonderbare Winde, die aus einem Schwarzen Loch hervorstieben, dessen Tiefe kein Astronom je auszuloten vermag, überziehen die weiten Trümmerfelder mit dem grauen Staub zerfallender Planeten und der schwarzen Asche erloschener Sonnen. Nicht jeder der düsteren Berge, die gleich Kuppeln aus der zerfurchten und von Kratern zernarbten Ebene emporragen, hatte hier schon immer seinen Platz. Bei einigen handelt es sich um vom Himmel gefallene Asteroiden, halb begraben im tiefen Sand. Wesen aus dem nahe gelegenen Weltraum haben sich eingeschlichen, deren Eindringen die Götter jedes gesunden, geordneten Landes untersagt hätten – doch in Yondo gibt es keine derartigen Gottheiten. Dort hausen seit alters her lediglich die Geister erloschener Sterne und längst vergessene Dämonen, denen nach der Zerstörung ihrer alten Höllen keine Heimstatt mehr blieb.
Es war um die Mittagszeit eines Frühlingstages, als ich aus jenem endlosen Kaktuswald trat, in dem die Inquisitoren von Ong mich ausgesetzt hatten, und zu meinen Füßen die grauen Ausläufer von Yondo erblickte. Ich wiederhole, es war um die Mittagszeit eines Frühlingstages; doch in diesem fantastischen Forst wies nichts auf diese Jahreszeit hin. Die aufgedunsenen, gelblich-braunen, absterbenden Gewächse, durch die ich mir einen Weg gebahnt hatte, waren Kakteen, allerdings derart abscheulich geformt, dass ich sie kaum zu beschreiben vermag. In der Luft hing schwer der Geruch nach Verwesung; immer häufiger zogen sich kränklich-weiße Flechten über das schwarze Erdreich oder die rotbraune Vegetation. Blassgrüne Vipern hoben ihre Köpfe von umgestürzten Kakteenstämmen und musterten mich aus hellen, ockerfarbenen Augen ohne Lider oder Pupillen. All dies beunruhigte mich schon seit Stunden. Auch die ungeheuren, aus den morastigen Ufern stinkender Bergseen wuchernden Pilze mit ihren farblosen Stielen und den giftig-malvenfarbenen, nickenden Köpfen gefielen mir nicht. Ebenso wenig war das düstere Kräuseln, das sich bei meinem Nahen auf dem gelblichen Wasser ausbreitete und langsam wieder verebbte, dazu angetan, den Mut eines Mannes zu heben, dessen Nerven nach unaussprechlichen Qualen ohnehin schon bis zum Zerreißen angespannt waren. Als die fleckigen, kränklich-blassen Kakteen schließlich nur noch spärlich und noch missgestalteter wuchsen und Rinnsale aschfahlen Sandes zwischen
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