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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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verrückten Legenden, die mir zu Ohren gekommen waren, Glauben zu schenken. Weitaus entsetzlicher noch als jenes diabolische Gekicher war der Schrei, der unmittelbar neben meinem Ellenbogen aus dem salzhaltigen Sand hervordrang – der Schrei einer maßlos gepeinigten, sich hilflos im Griff unbarmherziger Dämonen windenden Frau.
    Als ich herumfuhr, erblickte ich eine wahrhaftige Venus – nackt, weißhäutig und so makellos, dass sie keinen Vergleich zu scheuen brauchte; allerdings steckte sie bis zum Nabel im Sand. Ihre schreckgeweiteten Augen flehten mich an, ihre Hände, zart wie Lotosblüten, reckten sich mir in einer Hilfe suchenden Geste entgegen. Mit einem Satz war ich bei ihr – und berührte eine Marmorstatue, deren gemeißelte Lider in einem rätselhaften Traum aus längst vergangener Zeit geschlossen und deren Hände mitsamt dem Liebreiz ihrer Hüften und Schenkel im Sande begraben waren! Erneut floh ich, erschüttert und angstgetrieben, und abermals vernahm ich den gequälten Frauenschrei. Doch diesmal unterließ ich es, mich umzudrehen, um mir das Flehen ihrer Augen und Hände zu ersparen.
    Über Basaltbrocken und spitze Felsvorsprünge hinweg, aus denen von Grünspan überzogene Erze ragten, stolperte ich den lang gestreckten Hang am Nordufer jenes verwunschenen Sees hinauf. Immer wieder verlor ich in Salzmulden und auf Terrassen, die im Laufe von Äonen vom Wasser glatt gespült worden waren, den Halt unter den Füßen. Ich floh, wie man in einer von grässlichen Dämonen heimgesuchten Nacht von einem Albtraum zum nächsten fliehen mag. Zuweilen vernahm ich dicht an meinem Ohr ein eiskaltes Flüstern, das garantiert nicht vom Zugwind stammte. Als ich mich auf einer der höchst gelegenen Terrassen umwandte, erblickte ich neben meinem eigenen einen zweiten, befremdlichen Schatten, der mit mir Schritt hielt. Er stammte weder von einem Menschen noch von einem Affen oder sonst einem mir bekannten Tier. Dazu war der Kopf allzu grotesk in die Länge gezogen, der gedrungene Körper allzu kugelförmig. Überdies war ich nicht in der Lage festzustellen, ob dieser Schatten tatsächlich fünf Beine hatte oder ob der fünfte Auswuchs gar kein Bein, sondern lediglich ein Schwanz war.
    Das Entsetzen verlieh mir neue Kräfte. Erst als ich oben auf der Hügelkuppe angelangt war, wagte ich es, mich abermals umzusehen. Doch noch immer klebte der groteske Schatten so unzertrennlich an mir wie mein eigener; und nun stieg mir auch noch ein merkwürdiger, Übelkeit erregender Geruch in die Nase, wie von Fledermäusen, die in einem Beinhaus inmitten von Verfall und Verwesung von der Decke hängen. Kilometer um Kilometer rannte ich, während die rote Sonne über den Asteroidenbergen sich bereits nach Westen neigte. Der seltsame Schatten wurde dabei länger, wie auch der meine, blieb jedoch hinter mir und wahrte einen stets gleichbleibenden Abstand.
    Eine Stunde vor Sonnenuntergang gelangte ich zu einem Kreis kleiner Säulen, die wundersamerweise unversehrt inmitten eines Trümmerfeldes aufragten, das sich vor mir dehnte gleich einer Halde aus Tonscherben. Als ich zwischen diese Säulen trat, vernahm ich ein Wimmern. Es klang wie das Winseln eines wilden Tieres, hin- und hergerissen zwischen Wut und Angst. Wie ich erkannte, war der Schatten mir nicht in den Kreis gefolgt. Ich blieb stehen und wartete ab; offenbar hatte ich eine Zuflucht gefunden, die mein unwillkommener Begleiter nicht zu betreten wagte. Was der Schatten nun tat, bestätigte meine Vermutung. Erst zögerte er, dann raste er, immer wieder zwischen den Säulen verharrend und unablässig wimmernd, um den Kreis herum. Schließlich verzog er sich in die Wüste und verschwand im Schein der untergehenden Sonne.
    Eine geschlagene halbe Stunde lang wagte ich nicht, mich zu rühren. Erst als die Nacht heraufzog mit all ihren Schrecken, die meine Fantasie mir ausmalte, brach ich auf, um mich so gut ich konnte weiter nach Norden voranzukämpfen. Denn ich befand mich jetzt im tiefsten Herzen von Yondo, wo Gespenster und Dämonen hausen sollten, die sich um das Asyl nicht scherten, das der Kreis gewährte.
    Während ich mich weiterschleppte, durchlief das Licht eine merkwürdige Veränderung. Als glutroter Ball näherte sich die Sonne der Hügelkette am Horizont und tauchte in die glühenden Dunststreifen ein, wo der im Winde wehende Staub all der versunkenen Tempel und Nekropolen Yondos sich mit den giftigen Ausdünstungen mischte, die aus ungeheuren, finsteren, jenseits

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