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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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die glatte Oberfläche zurück. Der Gleiter stieg taumelnd aufwärts, wie befreit von einem zerrenden Gewicht – und nachdem ich eine Flughöhe erreicht hatte, die mir sicher erschien, steuerten wir am Rand dieser Masse entlang im Versuch, ihre Ausmaße zu ermitteln. Während wir neben ihr dahinflogen, begann die kolossale Kreatur unter uns mit ihrem früheren Tempo weiterzukriechen.
    Ich weiß nicht, über wie viele Kilometer sie sich erstreckte und sich durch die ungeheure Dschungelwildnis voranschlängelte gleich einem Gletscher aus Regenwurmgelee. Glaubt mir, beim Anblick dieses Dinges fühlte ich mich, als hätte ich einen Hieb in die Magengrube erhalten. Diese monströse Masse besaß weder Kopf noch Hinterteil und nirgendwo etwas, worin wir bestimmte Organe hätten erkennen können: Es war ein sich wälzender Ozean aus protoplasmatischen Zellen, organisiert in einer Größenordnung, die sämtliche Lehrsätze der Biologie ins Wanken brachte. Manville war fast von Sinnen vor Aufregung, und wir übrigen waren dermaßen schockiert und erschlagen, dass wir uns schon fragten, ob das Wesen real sei oder doch nur ein Trugbild unserer Nerven, die von neuartigen und schrecklichen planetarischen Einflüssen aus dem Gleichgewicht gebracht worden waren.
    Nun denn. Schließlich erreichten wir das vordere Ende, wo die rosa getönte Woge sich ihren Weg durch den Urwald fraß. Alles und jedes auf ihrem Pfad wurde zermalmt und ihr einverleibt – die fünfhundert Meter hohen Farne, die gigantischen Halme, die bizarren, fleischfressenden Pflanzen samt ihrer Beute, das fliegende, watschelnde, kriechende und stampfende Geviech aller Art. Und das Ding war so leise … wir hörten ein gedämpftes Murmeln wie von einem sanft plätschernden Bach, begleitet vom Knacken und Rascheln fallender Bäume – mehr nicht.
    »Schätze, wir können ebenso so gut wieder umdreh’n«, stellte Manville bedauernd fest. »Ich hätte ja zu gern eine Probe dieses Zeugs analysiert. Aber wir haben erlebt, wozu es fähig ist, und ich kann unmöglich von Ihnen verlangen, den Gleiter aufs Spiel zu setzen.«
    »Auf keinen Fall«, stimmte ich bei. »Hier ist nichts mehr zu gewinnen. Also, meine Herren, wenn Sie alle einverstanden sind, setzen wir unsere ursprüngliche Mission fort.«
    Und ich brachte den Gleiter in ziemlichem Tempo wieder auf Äquatorkurs.
    »Herrgott! Das Zeug verfolgt uns!«, schrie Manville kaum eine Minute später. Er hatte es durch eine rückwärtige Luke weiterhin beobachtet.
    Darauf bedacht, geraden Kurs zu steuern, war es mir nicht in den Sinn gekommen, das Ding im Auge zu behalten. Jetzt blickte ich in den Heck-Reflektor: Die rosafarbene Masse hatte tatsächlich die Richtung geändert und kroch hinter uns her, offenkundig mit verschärftem Tempo, denn andernfalls wären wir längst außer Sichtweite gewesen.
    Uns allen war ziemlich mulmig zumute, das könnt ihr mir glauben. Doch schien es lächerlich, anzunehmen, das Ding könnte uns einholen. Selbst bei unser mäßigen Geschwindigkeit ließen wir es mit jeder Sekunde weiter hinter uns – und falls nötig konnten wir unsere Geschwindigkeit verdreifachen oder in höhere atmosphärische Schichten aufsteigen. Trotzdem hinterließ die ganze Angelegenheit einen höchst unangenehmen Eindruck in uns.
    Bald tauchten wir in eine Zone dichter Dampfschwaden ein und verloren unseren Verfolger aus dem Blick. Anscheinend überquerten wir eine Art von Sumpfland, denn ab und an erspähten wir gigantische Schilfbüschel und riesige Wasserpflanzen inmitten unregelmäßiger, gewaltig dampfender Feuchtgebiete. Wir hörten das Brüllen riesiger, unbekannter Sumpfungeheuer und sahen undeutlich, wie sie ihre langen Schlangenhälse und scheußlichen Schädel nach uns reckten, als wir vorüberflogen. Einmal geriet der Gleiter in den kochenden Gischt eines Sumpf-Geysirs oder eines Vulkans, und wir flogen blind weiter, bis wir seinem Bereich entkommen waren. Anschließend kreuzten wir einen See aus brennendem Öl oder Erdpech, aus dem achthundert Meter hohe Flammen nach uns leckten, sodass die Temperatur trotz unserer Klimaanlage ungemütlich anstieg. Darauf folgten weitere Sumpfgebiete, gehüllt in wirbelnde Dämpfe. Und nach ein oder zwei Stunden tauchten wir wieder aus den Schwaden auf und ein neuer wuchernder Urwaldabschnitt präsentierte unter uns sein üppiges Laubdach aus Palmwedeln und Farnblättern.
    Diesen Urwald zu überfliegen, war, als triebe man durch die endlose Dimension eines Haschischtraums.

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