Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Kein Ende war abzusehen und keine Veränderung – er zog sich ewig hin und hin inmitten einer Welt ohne Grenzen oder Horizont. Und der weiße, diesige Glast der aufgequollenen Sonne, eben im Zenit stehend, wurde zur glühenden Folter für Nerven und Gehirn. Wir alle fühlten eine schreckliche Erschöpfung, eher wegen der nervlichen Strapazen als aus anderer Ursache. Manville und Rocher legten sich schlafen, Markheim war auf seinem Posten eingenickt, und ich begann nach einer Stelle Ausschau zu halten, wo ich den Gleiter sicher landen und selbst ein Auge zutun konnte. Der Gleiter hätte den Kurs von allein verfolgt, wenn ich auf Autopilot umgeschaltet hätte; aber ich wollte nichts übersehen und keinerlei Risiko eingehen, mit einem hohen Gebirgszug zu kollidieren.
Nun, wie es schien, gab es keine Landemöglichkeit in jener strotzenden Wildnis zyklopenhaften Wachstums. Wir flogen immer weiter und ich wurde schläfriger und schläfriger. Dann, endlich, erspähte ich vor uns durch die wirbelnden Nebel hindurch eine vage Andeutung niedriger Berge. Bald sah ich nackte, nadelspitze Gipfel und lange, sanft abfallende Hänge aus schwärzlichem Felsgestein, die fast vollständig von roter und gelber Flechte überwachsen waren, die höher wucherte als Heidekraut. Das alles wirkte sehr friedlich und verlassen auf mich. Ich brachte den Gleiter auf einer ebenen Felsplatte an einem der Hänge zur Landung und schlief bereits fast, bevor das tiefe Dröhnen der Triebwerke verstummt war.
Was mich weckte, weiß ich nicht. Aber ich fuhr ruckartig auf, erfüllt von einer geradezu übernatürlichen Gewissheit, dass etwas nicht stimmte. Ich sah mich nach meinen Gefährten um, die jedoch alle friedlich schlummerten. Und dann blickte ich in die Reflektoren, worin die gesamte Landschaft um uns herum zu sehen war.
Im ersten Augenblick hielt ich es für geradezu unmöglich – dass ich diesen wurmfarbenen Gletscher erblickte, der den Steilhang unter uns heraufgekrochen war und nun über dem Gleiter emporragte wie eine lotrechte, riesenhafte, fließende Gebirgswand. Das Ding hatte auf jeder Seite zwei gewaltige Greifer ausgestülpt, die es nach uns ausstreckte, als wollte es uns umarmen. Es schien den diesigen Himmel auszulöschen, als es dort schwebte, pulsierend und alles verfinsternd und triefend vor Geifer, der als glasklarer Sud in Strömen aus den Mäulern tropfte, die es an seiner Vorderseite gebildet hatte.
Entgeistert wie ich war, verlor ich wertvolle Sekunden, ehe ich den Atomantrieb starten konnte; und als der Gleiter abhob, dehnte sich die Spitze dieser abscheulichen Gallert-Steilwand aus und schlug über uns zusammen wie der Kamm einer brechenden Woge. Das Ding riss uns fort mit einem alles erschütternden Aufprall, umschlang uns … und haltlos wirbelnd und uns überschlagend schossen wir abwärts wie in ein Wellental.
Im Inneren des Gleiters wurde es finster und wir sahen nichts als Schwärze, bis ich die Beleuchtung einschaltete. Mit der Nase voran schlitterte der Gleiter in die Tiefe, während diese unfassbare Woge ihn schluckte. Meine Gefährten waren inzwischen längst wachgerüttelt, und ich brüllte ihnen gehetzte, halb verständliche Befehle zu, während ich die volle Schubkraft unserer Zylinder aktivierte und zusätzlich die Elektro-Solar-Turbinen zündete. Die Seitenwände und die Decke des Gleiters schienen sich unter dem entfesselten Druck nach innen zu wölben, während wir uns freizuwühlen versuchten.
Meine Kameraden stürzten alle an die Bordkanonen und feuerten ohne Unterlass. Elektronisch beschleunigte Granaten jagten gleich einer Breitseite von Blitzschlägen in die Masse hinein, die uns verschlungen hatte. Jede Kanone deckte ihren weitestmöglichen Schwenkradius ab. Wir versuchten buchstäblich, uns freizusprengen!
Ich weiß nicht, wie es letztlich gelang – doch endlich ließ der Druck von außen nach, durch unsere Heckluken brach ein matter Lichtschimmer, und torkelnd, schlingernd riss der gefangene Gleiter sich los. Doch gerade, als es um uns herum wieder hell wurde, tropfte etwas von der Decke auf meine ungeschützten Arme – ein dünnes Rinnsal wasserheller Flüssigkeit, die wie Vitriol brannte und mich fast rasend machte vor Schmerz, als sie sich in mein Fleisch fraß. Ich hörte jemanden kreischen und fallen. Als ich den Kopf wandte, sah ich Manville, der sich unter einem steten Getröpfel dieser Flüssigkeit auf dem Boden krümmte. Das Dach und die Wände des Gleiters zeigten an mehreren
Weitere Kostenlose Bücher