Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Stellen Risse; einige davon klafften mit jedem Augenblick weiter auseinander. Dieses verfluchte Sekret, das fraglos sowohl als Speichel wie auch als Verdauungssaft diente, hatte gleich einer Säure das diamantharte Metall der Außenhülle durchfressen, und wir waren wirklich in allerletzter Sekunde entwischt.
Die nächsten Minuten waren schlimmer als eine ganze Horde von Albträumen. Trotz der Schubkraft unserer beiden Triebwerke, trotz der Bordkanonen, die weiterhin beidseits von uns durch die hungrige Substanz pflügten, war es ein harter Kampf, aus der unheilvollen, jegliche Gravitation übersteigenden Magnetkraft dieser teuflischen Lebensmaterie freizukommen. Und die ganze Zeit über strömte Venusluft durch die Risse herein, sodass wir kaum noch zu atmen vermochten. Auch verlor dadurch unsere Klimaanlage einen Großteil ihrer Wirkung, und wir vergingen gleichsam in einer dampfenden Hölle, bis wir uns einer nach dem anderen in unsere luftdichten, isolierenden Schutzanzüge retteten, währenddessen die übrigen Mitglieder der Crew die Kanonen bedienten und den Gleiter steuerten.
Manville hatte aufgehört, sich zu krümmen, und wir sahen, dass er tot war. Wir hätten nicht gewagt, ihn allzu lange zu betrachten, selbst wenn uns dafür genug Zeit geblieben wäre – denn sein Gesicht und sein Körper waren von der ätzenden Flüssigkeit halbwegs weggefressen worden.
Nach und nach gewannen wir an Höhe, bis wir endlich auf das Höllending hinabblicken konnten, dessen Appetit wir so knapp entronnen waren. Dort unter uns erstreckte es sich Kilometer um Kilometer den Berghang herauf, während der hintere Rest sich irgendwo im Urwald verlor. Bedachte man die bis hierher von uns zurückgelegte Strecke, schien es unmöglich, dass es sich bei diesem Etwas um dieselbe kriechende Masse handelte, die wir früher am Tag gesichtet hatten. Doch was auch immer es war, es musste uns irgendwie aufgespürt haben, und anscheinend war es ihm der Mühe wert erschienen, einen Berg zu erklimmen, um uns zu kriegen. Möglicherweise gehörte es aber auch zu dem natürlichen Verhalten seiner Art, auf Berge zu kriechen. Jedenfalls ließ es sich nicht leicht abwehren, denn der Beschuss aus unseren Bordkanonen schien ihm wenig mehr als Nadelstiche zu versetzen, deren Wunden spurlos vernarbten, sobald der Schütze auf eine andere Stelle zielte. Und als wir begannen, von unserer mühsam gewonnenen Flughöhe aus Handgranaten auf das Ding hinabzuschleudern, pulsierte und wogte es bloß ein wenig heftiger, und seine Rosafärbung vertiefte sich zu einem schwärenden Rot, als würde es zornig. Als wir endlich auf demselben Weg zurückflogen, der uns hergeführt hatte, in Richtung des Dschungels und des dahinterliegenden Sumpflandes, begann das höllische Wesen rückwärts über den flechtenbewachsenen Berghang hinab zu fluten. Es schien keinesfalls gewillt, uns entkommen zu lassen.
Fast kippte ich vom Pilotensitz, so grässlich schmerzten meine verätzten Arme, die dennoch das Steuer fest im Griff und den Gleiter auf Kurs hielten. Wir waren nicht mehr in der nötigen Verfassung, unsere Venusumrundung fortzusetzen. Daher blieb uns nichts anderes übrig, als zu den Purpurbergen zurückzukehren.
Wir flogen mit Höchstgeschwindigkeit, aber diese fließende Masse pulsierenden Lebens – Protoplasmahaufen, höherer Organismus, oder was immer es sein mochte – hielt eine Zeit lang unverdrossen mit. Dann, endlich, ließen wir das Ding hinter uns, wie es da in seiner kilometerbreiten Kahlschlags-Spur durch den Dschungel glitt – doch konnten wir keinen großen Vorsprung gewinnen. Diese Unaussprechlichkeit klebte unermüdlich an uns dran, und es machte uns alle regelrecht krank, ihr dabei zuzusehen.
Plötzlich bemerkten wir, dass das Wesen aufhörte, uns zu folgen, und in einer abrupten Kehre die Richtung wechselte.
»Was sagt ihr dazu?«, rief Markheim. Wir waren alle dermaßen verblüfft von dem Ende der Jagd, dass ich den Gleiter stoppte und wir auf der Stelle in der Luft schwebten, während wir rätselten, was vorgefallen war.
Dann sahen wir es. Eine zweite, endlose Masse, doch diesmal von kochfleischgrauer Färbung, kroch durch den Urwald auf die rosafarbene Masse zu. Beide richteten sich zu lotrechten Säulen auf, gleich zwei kämpfenden Schlangen, während sie einander entgegenfluteten. Dann trafen sie zusammen – und wir erkannten, dass dies ein Zweikampf war, dass sie sich gegenseitig verschlangen, abwechselnd an Boden gewannen und wieder
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