Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Beine des Dreifußes, der das Becken trug, waren geschwungen und massiv und endeten in löwenartigen Tatzen, die ihre Krallen zeigten. Als wir näher traten und über den Rand des Beckens spähten, erkannten wir, dass es eine zähe, halb flüssige Substanz enthielt, die ziemlich trübe und von rußiger Farbe war. Sie war es, die den Geruch verbreitete – einen Geruch, der zwar beispiellos widerlich, aber dennoch kein Verwesungsgestank war, sondern an die Ausdünstung irgendeines ekelhaften und unreinen Sumpfgeschöpfes erinnerte. Das Miasma, das von dem Beckeninhalt aufstieg, war fast nicht zu ertragen. Wir wandten uns bereits ab, als wir ein schwaches Beben auf seiner Oberfläche wahrnahmen, so als würde die rußfarbene Flüssigkeit von unten durch irgendein darin verborgenes Tier oder sonstiges Wesen aufgerührt.
Das Beben nahm rasch zu, die Mitte des schwarzen Flüssigkeitsspiegels quoll auf wie unter dem Gärvorgang eines starken Hefepilzes und wir wurden zu höchst entsetzten Zeugen, wie ein ungeschlachter, formloser Schädel mit trüben, vorstehenden Augen allmählich auf einem immer länger werdenden Hals emporwuchs und uns mit urtümlicher Bosheit anstarrte. Anschließend kamen Zoll für Zoll zwei Arme – falls man sie Arme nennen konnte – zum Vorschein. Wir erkannten, dass dieses Etwas nicht, wie wir geglaubt hatten, eine in die Flüssigkeit abgetauchte Kreatur war, sondern dass die Flüssigkeit selbst ihren abscheulichen Hals und Kopf emporreckte und nun diese grässlichen Arme ausformte, von denen tentakelartige Fortsätze nach uns fingerten, die ihnen Klauen oder Hände ersetzten!
Eine Furcht, wie sie sogar Albträume nicht gebären und von der wir selbst in unseren gefahrvollsten nächtlichen Unternehmungen nicht den leisesten Vorgeschmack gekostet hatten, raubte uns das Sprachvermögen, wenn auch nicht den Gebrauch der Füße. Wir wichen ein paar Schritte von dem Becken zurück, und entsprechend unserer Absetzbewegung tauchten der schreckliche Hals und die Arme weiter empor.
Dann begann der gesamte dunkle Beckeninhalt sich zu erheben, und weit schneller, als der Suvana -Saft aus meiner Feder fließt, ergoss er sich über den Beckenrand wie ein Sturzbach schwarzen Quecksilbers und nahm, sobald er den Boden berührte, eine wabernde, schlangenähnliche Gestalt an, die augenblicklich mehr als ein Dutzend kurzer Beine ausbildete.
Welch unvorstellbarer Schrecken protoplasmatischen Lebens, welch widrige Ausgeburt uranfänglichen Schleims hier hervorgekrochen kam, um auf uns loszugehen – an diese Frage verschwendeten wir nicht eine einzige Sekunde. Die Monstrosität war zu furchtbar, um auch nur die flüchtigste Besinnung zu gestatten. Überdies waren ihre Absichten unverkennbar feindselig und ließen auf menschenfresserische Neigungen schließen, denn das Ding glitt mit rasender Geschwindigkeit und raschen Bewegungen auf uns zu und riss, als es herankam, ein zahnloses Maul von erstaunlichem Fassungsvermögen auf. Als dieser höhlenartige Schlund uns entgegenklaffte und eine Zunge offenbarte, die sich entrollte gleich einer langen Schlange, gähnten die Kiefer des Ungeheuers mit der gleichen außerordentlichen Dehnbarkeit, die all seine Bewegungen begleitete.
Wir erkannten, dass unser Abschied vom Tempel des Tsathoggua jetzt dringlichst geboten war, und indem wir sämtlichen Abscheulichkeiten jenes Unheiligtums den Rücken kehrten, überquerten wir seine Schwelle mit einem einzigen Satz und rannten Hals über Kopf im Mondschein durch die Vororte von Commoriom. Wir bogen um jede sich bietende Hausecke, wir folgten unseren eigenen Fußspuren hinter den Palästen längst vergessener Edelleute und den Lagerhallen unerinnerter Händler und hielten uns möglichst an jene Abschnitte, wo die verwachsenen Urwaldbäume am höchsten und dichtesten standen – und endlich, auf einer Nebenstraße, von wo aus man die äußersten Häuser nicht mehr zu sehen vermochte, hielten wir inne und wagten es, einen Blick zurückzuwerfen.
Unsere überbeanspruchten Lungen platzten fast nach der gewaltigen Anstrengung, und die zahlreichen Strapazen, die wir an diesem Tag durchgestanden hatten, forderten ihren unerbittlichen Tribut – doch als wir das schwarze Ungeheuer erblickten, das uns noch immer auf den Fersen war und uns mit schlängelnder, fließender Mühelosigkeit verfolgte gleich einem Wasserfall, der sich über eine hohe Klippe ergießt, wurden unsere matten Gliedmaßen wundersam belebt. Wir tauchten aus dem
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