Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
verräterischen Licht der Nebenstraße in den weglosen Urwald ein und hofften, so unserem Verfolger in dem Labyrinth aus Baumstämmen und Schlingpflanzen und gigantischen Blättern zu entwischen. Wir stolperten über Wurzeln und umgestürzte Bäume, wir rissen uns am wilden Dorngestrüpp Haut und Kleider auf, wir rannten im Halblicht gegen uralte Baumriesen und biegsames Jungholz, das uns entgegenschnellte, wir hörten das Zischen von Baumschlangen, die aus dem Geäst ihr Gift auf uns herabspien, und das Grunzen und Heulen unsichtbarer Tiere, die während unserer panischen Flucht unter unsere Füße gerieten. Doch wagten wir nicht, ein weiteres Mal stehen zu bleiben oder zurückzublicken.
Wir mussten unser kopfloses Voraneilen stundenlang fortgesetzt haben. Der Mond, der uns durch das dichte Blattwerk hindurch kaum Licht gespendet hatte, sank zwischen den riesigen Blättern der Palmen und den verwobenen Schlingpflanzen tiefer und tiefer. Doch als er unterging, waren seine letzten Strahlen unsere einzige Rettung vor einem stinkenden Sumpf, der sich trügerisch mit Hügeln und Grasbüscheln tarnte. Gnadenlos getrieben rannten wir ohne Halt und Rast durch das tückische Moorgebiet und dicht am pestigen Ufer des Sumpfes entlang, immer den höllischen Verfolger im Nacken.
Jetzt, da der Mond verschwunden war, wurde unsere Flucht noch verzweifelter und halsbrecherischer – ein wahres Delirium aus Grauen, Erschöpfung, Orientierungslosigkeit und einem ungeheuer schwierigen Vorankommen inmitten von Hindernissen, die uns inzwischen kaum noch zu Bewusstsein drangen, durch eine Nacht, die an uns hing und uns hemmte wie eine böse Bürde, wie die Fangfäden eines monströsen Netzes.
Es hatte den Anschein, als könnte die Kreatur, die uns jagte, uns mit ihren unfassbaren Fähigkeiten der Bewegung und der Körperstreckung jederzeit einholen; doch offenkundig fand sie Vergnügen daran, das Spiel auszudehnen. Und so schritt die Nacht in einer scheinbar endlosen Verlängerung ungewisser Schrecken dahin … Aber niemals wagten wir zurückzublicken.
Weit entfernt und fahl, zog ein flimmerndes Zwielicht zwischen den Bäumen auf – ein Vorbote des kommenden Morgens. Müder als die Toten und voller Verlangen nach irgendeiner Rast, irgendeiner Sicherheit, und wäre es die eines namenlosen Grabes, rannten wir auf das Licht zu, und irgendwann taumelten wir aus dem Urwald auf eine gepflasterte Straße hinaus, die zwischen Bauten aus Marmor und Granit verlief. Dunkel und vage, erkannten wir trotz der zermalmenden Last der Erschöpfung, dass wir im Kreis geirrt und zu den Vororten von Commoriom zurückgekehrt waren. Vor uns, kaum einen Speerwurf entfernt, stand der dunkle Tempel des Tsathoggua.
Noch einmal wagten wir zurückzuschauen und erblickten das geschmeidige Ungeheuer, dessen Beine jetzt in die Länge gewachsen waren, sodass es über uns emporragte, und dessen Schlund groß genug war, um uns beide mit einem Bissen zu verschlingen. Es folgte uns mit einem mühelosen Gleiten, mit einer Unbeirrbarkeit der Bewegung und in allzu grässlicher, allzu grausamer Absicht, um es zu ertragen. Wir rannten in den Tempel des Tsathoggua, dessen Pforte noch immer offen stand, so wie wir ihn verlassen hatten, und nachdem wir die Tür in panischer Hast zugedrückt hatten, gelang es uns mit der übermenschlichen Kraft unserer Verzweiflung, einen der eingerosteten Riegel vorzulegen.
Und nun, während die kalte Düsternis der Morgendämmerung gleich schmalen Balken durch die hoch in die Wände eingelassenen Fenster brach, versuchten wir mit wahrlich heldenhafter Schicksalsergebenheit, wieder zu uns selbst zu finden, und sahen dem entgegen, was immer das Schicksal uns zugedacht hatte. Und während wir warteten, glotzte der Gott Tsathoggua zu uns her mit einer sogar noch idiotischeren Plumpheit und Widerwärtigkeit und Grausamkeit, als er sie im Schein der Fackeln gezeigt hatte.
Ich glaube, erwähnt zu haben, dass der Türsturz des Tempeleingangs an verschiedenen Stellen zerbröckelt und rissig war. Die einsetzende Baufälligkeit hatte sogar drei Öffnungen hinterlassen, durch die jetzt das Tageslicht hereindrang und die groß genug waren, um kleinen Tieren oder großen Schlangen Durchlass zu gewähren. Aus irgendeinem Grund hingen unsere Blicke an diesen Öffnungen.
Wir hatten noch nicht lange so gestarrt, als das Licht in allen drei Öffnungen plötzlich verdeckt wurde. Gleich darauf begann eine schwarze Masse durch sie hindurchzusickern. Als
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