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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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ihre goldenen Altargefäße und Kultgegenstände bergen, und noch immer sollen die Götzen ihre kostbaren Edelsteine in Auge und Mund, auf Brust und Stirne tragen.
    Ich glaube, wir hätten uns in eben jener Nacht auf den Weg machen sollen, wären uns nur der Ansporn und die Eingebung zuteil geworden, die uns eine zweite Flasche Granatapfelwein geschenkt hätte. So jedoch beschlossen wir, im Morgengrauen aufzubrechen. Der Umstand, dass unsere Reisekasse leer war, hatte wenig zu bedeuten, denn sofern unsere einstige Geschicklichkeit uns nicht verlassen hatte, konnten wir vom unbedarften Landvolk einen bescheidenen, wenn auch unfreiwilligen Obolus einziehen. Bis es so weit war, kehrten wir in unsere Unterkunft zurück, wo der Wirt uns einen höchst ungnädigen Empfang bereitete, indem er barsch sein Mietgeld einforderte. Doch die goldenen Verheißungen des nächsten Tages hatten uns gegen solch geringfügige Unbill gewappnet, und wir schoben den Burschen mit einer Verachtung aus dem Weg, die ihn zu verblüffen, wenn nicht gar zu überwältigen schien.
    Wir schliefen uns aus, und die Sonne war bereits weit an der azurblauen Himmelswand emporgestiegen, als wir die Tore Uzuldarums hinter uns ließen und die nordwärtige Straße nahmen, die nach Commoriom führte. Zum Frühstück erquickten wir uns an einigen Honigmelonen und einem gestohlenen Huhn, das wir im Wald zubereiteten, ehe wir unseren Weg fortsetzten. Trotz der zunehmenden Ermüdung, die uns gegen Tagesende erfasste, hatten wir eine angenehme Reise, denn die wechselnden Landschaften, durch die wir kamen, boten uns ebenso wie ihre Bewohner manche Ablenkung. Einige dieser Bewohner werden, wie ich überzeugt bin, mit Bedauern an uns zurückdenken, denn wir versagten uns nichts, das in Reichweite unserer flinken Finger geriet und unsere Begehrlichkeit weckte.
    Es war eine hübsche Gegend mit zahlreichen Bauernhöfen, Obsthainen, Flüssen und grünen, blütenprächtigen Wäldern. Schließlich erreichten wir im Verlaufe des Nachmittags die einstige, seit Langem unbenutzte und beinah zugewucherte Straße, die vom Hauptverkehrsweg abzweigt und die durch den älteren Urwald nach Commoriom verläuft.
    Niemand sah, wie wir diese Straße betraten, und auch später begegneten wir keiner Seele. Mit einem einzigen Schritt ließen wir die Menschenwelt hinter uns; es schien, als wäre die Stille des Waldes um uns herum seit dem legendären Auszug des Königs und seines Volkes vor so vielen Jahrhunderten niemals mehr von menschlichen Schritten gestört worden. Die Bäume waren riesiger als alle, die wir je zuvor gesehen hatten, und sie waren verwoben durch ein endloses Labyrinth, durch ein ewiges Netz zahlloser Schlinggewächse, die wohl ebenso alt waren wie sie selbst. Die Blumen erschienen uns krankhaft vergrößert, ihre Blütenblätter schimmerten in tödlicher Blässe oder blutroter Scharlachfarbe – und sie rochen entweder überwältigend süß oder stanken abscheulich. Die Früchte, die wir unterwegs erblickten, waren groß und prall und leuchteten violett und orangefarben und rostbraun, doch aus einem unbestimmten Grund heraus wagten wir nicht, sie zu verzehren.
    Der Wald wurde üppiger und unwegsamer, je weiter wir vordrangen, und die Straße, obschon mit Granitplatten gepflastert, war mit jedem Meter stärker zugewachsen, da Bäume in den Rissen und Fugen Wurzeln geschlagen und die großen Blöcke auseinandergetrieben hatten. Obwohl die Sonne noch nicht den Horizont berührte, wurden die Schatten, worin gewaltige Baumstämme und ihr Astwerk uns tauchten, immer dichter, und wir bewegten uns durch ein dunkelgrünes Zwielicht voll bedrückender Aromen üppiger Vegetation und pflanzlicher Fäulnis. Es gab weder Vögel noch andere Tiere, wie man sie in jedem normalen Wald erwarten würde, doch ab und zu schlängelte sich der bleiche, fette Schuppenleib einer verstohlenen Natter auf der Flucht vor unseren Stiefeln ins wuchernde Blattwerk am Rande der Straße, oder ein übergroßer Falter mit grotesk getupften Flügeln von bösartiger Färbung flatterte vor uns davon und tauchte in die Düsternis des Urwalds ein. Purpurrote Fledermäuse mit Augen gleich winzigen Rubinen, die schon zur Dämmerung ihre Verstecke verlassen hatten, erhoben sich bei unserem Herankommen von den giftig aussehenden Früchten, an denen sie sich gütlich taten, und beobachteten uns mit unheilvollem Interesse, während sie lautlos über unseren Häuptern in der Luft kreisten. Bald beschlich uns auch das

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