Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
nahezu einzigartiges Schauspiel darbot. Das Untier, das offenkundig von zahmer und harmloser, ja törichter Natur war, kauerte vor einer Traube von Geschöpfen, deren Größe die von Menschen nicht übertraf und deren Bewaffnung lediglich in langen, stachelgespickten Stäben bestand.
Obwohl diese Organismen auf zwei Beinen liefen und hinsichtlich ihrer Körperbauweise nicht dermaßen ohne Beispiel waren wie das Wesen, das Eibon beim See angetroffen hatte, wirkten sie doch hinreichend ausgefallen. Ihre Anatomie wies eine Verschmelzung von Kopf und Rumpf auf, wobei Ohren, Augen, Nase, Mund und gewisse weitere Organe von zweifelhafter Bestimmung in eigenwilliger Anordnung auf Brust und Unterleib saßen. Die Wesen waren splitternackt, ziemlich dunkelhäutig und am ganzen Leib vollkommen unbehaart. Hinter ihnen erhoben sich in geringer Entfernung zahlreiche Gebäude, deren Konstruktion menschlichen Vorstellungen von architektonischem Ebenmaß einigermaßen zuwiderlief.
Eibon schritt ihnen beherzt entgegen und Morghi folgte ihm unauffällig. Die Rumpfköpfigen stellten ihr Geschimpfe gegen das unterwürfige Monster ein und beäugten die Erdenbewohner mit Mienen, in denen sich wegen der eigentümlichen und verwirrenden Konstellation ihrer Gesichter nur schwer lesen ließ.
»Hziulquoigmnzhah! Zhothaqquah!«, sprach Eibon in feierlich-orakelhaftem Tonfall. Nach einer bedeutungsschwer ausgedehnten Pause setzte er hinzu: »Iqhui dlosh odhqlonqh!«
Das Resultat war in der Tat zufriedenstellend und nicht weniger, als man sogar von einer solch außergewöhnlichen Formel mit Fug und Recht erwarten durfte. Denn die cykranotheischen Geschöpfe ließen ihre Stäbe fallen und verneigten sich vor dem Hexer, bis die Gesichter auf ihren Oberkörpern beinahe den Boden berührten.
»Ich habe meine Mission erfüllt. Ich habe die Botschaft, die Hziulquoigmnzhah mir auftrug, überbracht«, sprach Eibon zu Morghi.
IV
Mehrere cykranotheische Monate lang weilten die beiden Hyperboreer als geehrte Gäste bei dem ebenso drolligen wie biederen Volk, das sich selbst die Bhlemphroim nannte. Eibon besaß eine große Sprachbegabung und überflügelte Morghi beim Erlernen des lokalen Idioms mühelos. Sein Wissen über Bräuche, Sitten, Anschauungen und Glaubensvorstellungen der Bhlemphroim gewann bald einen beachtlichen Umfang – doch empfand er es nicht nur als einen Quell der Erleuchtung, sondern ebenso der Ernüchterung.
Das gepanzerte Monster, das er und Morghi so mannhaft vor sich hergetrieben hatten, war, so erfuhr er, ein zahmes Lasttier der Bhlemphroim. Es war seinen Besitzern in der Wildnis, die an Vhlorrh, die Hauptstadt dieses Volkes, grenzte, entlaufen und hatte sich dort inmitten der mineralischen Vegetation verirrt. Die Verbeugungen, mit denen man Eibon und Morghi empfangen hatte, waren entgegen Eibons anfänglicher Meinung lediglich ein Ausdruck des Dankes für die sichere Rückbegleitung des Tieres gewesen und nicht etwa ein Kniefall vor den göttlichen Namen, die er auf den Lippen geführt hatte, oder der furchterweckenden Formel »Iqhui dlosh odhqlonqh«.
Bei dem Wesen, das Eibon am See angetroffen hatte, handelte es sich tatsächlich um den Gott Hziulquoigmnzhah; und auch Zhothaqquah fand dunkel überlieferte Erwähnung in einigen frühen Mythen der Bhlemphroim. Doch leider war dieses Volk überaus materialistisch eingestellt und hatte längst aufgehört, zu den Göttern zu beten und ihnen Opfer darzubringen – wenn es auch mit distanziertem Respekt von ihnen sprach und die Götter niemals lästerte.
Eibon brachte in Erfahrung, dass die Worte »Iqhui dlosh odhqlonqh« ganz zweifellos aus einer den Göttern eigenen Sprache stammten, die von den Bhlemphroim nicht mehr verstanden wurde. Doch die Ydheem, eines der Nachbarvölker, erlernten und lehrten diese Sprache noch immer, weil sie Hziulquoigmnzhah und verschiedene verwandte Götter weiterhin auf die alte kultische Art verehrten.
Die Bhlemphroim waren ein ausschließlich praktisch veranlagtes Volk und interessierten sich für wenig anderes als den Anbau zahlreicher Sorten von essbaren Pilzen, der Züchtung und Haltung riesiger, mannigfüßiger Nutztiere und der Fortpflanzung ihrer eigenen Art. Letzterer Vorgang entsprach, wie Eibon und Morghi erfuhren, nicht ganz dem Gewohnten: Zwar waren die Bhlemphroim von Natur aus bisexuell, doch oblag in jeder Generation nur ein einziges Weibchen der Pflicht zur Fortpflanzung. Die dazu ausersehene Bhlemphroim-Frau wurde, nachdem sie
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