Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
vorbeikam – doch vernahm er ein schwaches und befremdliches Klingeln in vielerlei Tonlagen, das ihm auf seinem Abstieg vorausging und nachfolgte. Eibon gewann den unbehaglichen Eindruck, dass die Gebilde sich untereinander verständigten – und vielleicht darüber berieten, was sie mit ihm anstellen oder wie sie gegen ihn vorgehen sollten.
Jedoch erreichte er glücklich und ungehindert den Fuß des Hanges, wo Terrassen und Treppen zerbröckelnden Basalts den tief gelegenen See aus flüssigem Metall umsäumten gleich einem gigantischen urzeitlichen Amphitheater. Unschlüssig, welche Richtung er nun einschlagen sollte, verharrte Eibon auf einer der Terrassenstufen.
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als ihn plötzlich von der Seite her ein Schatten streifte und sich wie ein monströser Fleck auf das bröselnde Gestein zu seinen Füßen legte. Unter diesem Schatten fühlte Eibon sich nicht eben behaglich, denn er lief sämtlichen ästhetischen Normen schändlich zuwider und seine Verformtheit und Verzerrtheit waren geradezu aberwitzig.
Eibon wandte sich um, um zu sehen, welche Art von Lebewesen wohl solch einen Schatten warf. Das betreffende Geschöpf war nicht leicht einzuordnen, mit seinen grotesk kurzen Beinen, seinen unmäßig langen Armen und dem runden, schlafmützig anmutenden Haupt, das von dem kugelförmigen Rumpf herabhing, als schlüge sein Besitzer schlafwandelnd Purzelbaum. Nachdem er das Wesen jedoch eine Zeit lang gemustert und ihm dessen pelziges Fell und schlaftrunkene Miene aufgefallen waren, begann er darin ein entfernt ähnliches, von den Füßen auf den Kopf gestelltes Ebenbild des Gottes Zhothaqquah zu erkennen. Er erinnerte sich an Zhothaqquahs Auskunft, dass die Gestalt, die der Gott sich auf dem Planeten Erde zugelegt, nicht ganz derjenigen entsprach, die er zuvor auf Cykranosh besessen hatte. Daher fragte sich Eibon, ob dieses Wesen wohl Zhothaqquahs Sippschaft angehören mochte.
Er versuchte, sich den fast unaussprechlichen Namen ins Gedächtnis zu rufen, den der Gott ihm als Kennwort anvertraut hatte. Im selben Moment begann der Verursacher des ungewöhnlichen Schattens, der die Gegenwart Eibons offenbar gar nicht wahrnahm, die Terrassen und Simse zum See hinabzusteigen. Seine Fortbewegung erfolgte hauptsächlich mithilfe der Hände, denn die lachhaften Beinchen waren um die Hälfte zu kurz für die Höhe der Stufen, die er zu bewältigen hatte.
Sowie das Geschöpf am Ufer des Sees anlangte, schlürfte es das flüssige Metall in langen, tiefen Zügen – dies allein genügte, um Eibon von der Göttlichkeit des Wesens zu überzeugen, denn ganz gewiss wäre kein Angehöriger einer niederen biologischen Daseinsform imstande gewesen, seinen Durst mit solch ausgefallenem Trunk zu löschen. Nach erfolgter Labung stieg das Wesen wieder zu der Terrassenstufe empor, wo Eibon noch immer stand, und schien ihn jetzt zum ersten Male wahrzunehmen.
Eibon indessen war endlich der absonderliche Name wieder eingefallen, nach dem er sein Gedächtnis durchforscht hatte. »Hziulquoigmnzhah«, versuchte er seiner Zunge abzuringen. Fraglos entsprach das Ergebnis nicht ganz den auf Cykranosh geltenden Regeln. Doch war es das Beste, was Eibon mit seinen Sprechwerkzeugen zuwege brachte. Sein Zuhörer schien das Wort zu erkennen, denn er blickte aus seinen verkehrt herum sitzenden Augen etwas weniger schläfrig auf Eibon als zuvor und geruhte sogar, etwas zu äußern, was wie ein Versuch klang, Eibons Aussprache zu berichtigen. Eibon fragte sich, wie er es jemals fertigbringen sollte, eine solche Sprache zu erlernen – oder, falls ihm dies gelänge, wie er sie jemals seiner Zunge gefügig machen sollte. Immerhin schöpfte er ein wenig Hoffnung aus der Erkenntnis, dass er überhaupt verstanden wurde.
»Zho-thaq-quah!«, sprach er und intonierte den Namen drei Mal so bedeutungsschwanger, als wollte er den Gott selbst heraufbeschwören.
Die bizarre Kreatur öffnete die Augen noch ein bisschen mehr und verbesserte ihn abermals, indem sie ihm das Wort Zhothaqquah unter einer nicht wiederzugebenden Verkürzung der Vokale und Dehnung der Konsonanten vorsprach. Anschließend stand sie eine Weile lang da und betrachtete Eibon zweifelnd oder auch sinnend. Schließlich hob sie einen ihrer ellenlangen Arme vom Boden und deutete an der Uferlinie entlang auf die Mündung eines seichten Tals, die zwischen den Bergen erkennbar war. Dazu sprach sie langsam und deutlich die rätselhaften Worte: »Iqhui dlosh
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