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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Mädchen an seinem strähnigen Pferdeschwanz packt und ihren Kopf nach hinten reißt.
    Sie schreit nicht.Wahrscheinlich begreift sie, dass es niemanden gibt, den sie zu Hilfe rufen könnte. Jetzt nicht mehr. Der Junge am Boden versucht auf die Beine zu kommen, aber der andere R ekruter stellt ihm einfach seinen Fuß auf den R ücken.
    In diesem Augenblick wird mir klar, dass ich die Kinder nicht im Stich lassen kann. Ich hole tief Luft und presse den Mund auf meinen Arm. Langsam atme ich aus, dabei stöhne ich tief und lang anhaltend wie die Ungeweihten. Sofort gehen die Köpfe der R ekruter lauschend in die Höhe.
    Wieder stöhne ich, das Geräusch ist bedrohlich und voller Gier. In meinen Ohren klingt es so überzeugend, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Wie gequält und verwundet sich meine Stimme doch anhört! Das Stöhnen wird zwischen den Mauern hin und her geworfen, die R ekruter sind nicht in der Lage auszumachen, woher es genau kommt.
    Drei Mal atme ich ein und wieder aus, dann renne ich mitten auf die Straße und schreie atemlos: »Lauft!« Dabei sprinte ich auf die Gruppe zu, wobei ich mich immer wieder umschaue, als würde ich von den Pestratten verfolgt werden.
    Ich weiß, was Panik ist. Ich habe die tiefe, würgende Angst kennengelernt, die das R ückgrat hochkriecht und einen blind macht. Daran knüpfe ich an, als ich auf die kleine Gruppe zu laufe und brülle, sie müssten wegrennen und zwar sofort.
    Ich packe die Hand des Mädchens und ziehe den Jungen am Kragen seines Kittels hoch. So zerre ich die beiden hinter mir her, biege links ab, sobald wir aus der Gasse heraus sind, und renne um mehrere Häuser herum, damit wir so viel Abstand wie möglich zu den R ekrutern gewinnen.
    Wir rennen, bis meine Beine brennen und der Hals wund ist. Ich glaube schon beinahe selbst an meine eigene Lüge. Das Mädchen zerrt an mir, als ich langsamer werde. »Und was ist mit den Wiederauferstandenen?« Ihre Augen sind weit aufgerissen. Ich muss mich daran erinnern, dass sie ja nicht weiß, dass ich mir das alles nur zu ihrer R ettung ausgedacht habe.
    Der Junge beugt sich vor; die Hände auf die Knie gestützt, versucht er zu Atem zu kommen, sein Gesicht ist vom Schmerz gezeichnet.
    »Schon gut«, sage ich ihr und lege den Arm um das Mädchen. »Uns passiert nichts. Ich wollte sie nur von euch ablenken. Du bist jetzt in Sicherheit.« Es überrascht mich, wie viel mir das bedeutet.
    Der Junge schaut auf. »Ganz bestimmt?«
    Das Mädchen zittert. Die beiden haben keinen Grund, mir zu trauen, und so soll es auch sein. Sie müssen lernen, dass es nirgendwo in dieser Stadt noch Sicherheit gibt.
    »Wie heißt du?«, frage ich das Mädchen.
    »Amalia.«
    Ich denke daran, wie meine Schwester ausgesehen hat, als ich sie imWald zurückgelassen habe, ihr aufgeschlagenes Knie. Der Geruch des Blutes heizte das brennendeVerlangen der Ungeweihten um uns herum an.Wegen uns drückten sie sich an die Zäune, wegen uns drang Stöhnen aus ihren schon lange toten Kehlen.
    Wie leicht hätte ich eine andere Entscheidung treffen können. Ich hätte ihre Hand nehmen und mit ihr nach Hause gehen können. Und jetzt quäle ich mich nun schon so lange, weil ich mit Elias den Pfad weiter entlanglaufen wollte – weg von ihr.
    »Wo wohnst du?«
    Amalia will sich umdrehen und mir die Richtung zeigen, aber der Junge packt ihre Hand und zieht sie nach unten. Er steht so gerade wie möglich und drückt die Arme an die Seite, in die er getreten worden ist. »Wir kommen schon hin, das schaffen wir«, sagt er. Er will den Anschein erwecken, Herr der Lage zu sein. Man sieht genau, dass die beiden schon länger nichts mehr gegessen haben, ihreWangenknochen treten scharf hervor, und sie haben Ringe unter den Augen.
    »Sie suchen euch, sagen sie.Warum?«, frage ich. Noch immer bin ich mir nicht sicher, ob ich die beiden allein lassen kann.
    Sie schauen sich an, offensichtlich sind sie sich nicht einig darüber, was sie mir erzählen sollen – wenn sie mir denn überhaupt etwas erzählen. »Sie sind hinter allen Soulers her«, erwidert der Junge schließlich. »Warum, wissen wir nicht. Nur, dass sie alle mitnehmen, die sie finden.«
    DieWolken, die über dem Festland gehangen haben, ziehen jetzt über die Insel, dieTemperatur sinkt, und ich bin nun doch froh über meine dicken Kleiderschichten . A malia schlingt die Arme um sich. Ich nehme einen Schal ab und lege ihn ihr über Kopf und Schultern. Der Junge zieht sie an sich.
    »Ich kann euch nach Hause

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