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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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entrinnen. Ich lande in einem langen, schmalen Gang, der Fußboden ist dreckig, die Wände haben Risse. Nur durch das Fenster hinter mir fällt Licht herein, und einen Moment lang will ich diese Sicherheit hier nicht wieder verlassen.
    Vor mir liegt nichts als finsterer Schatten, aber ich weiß, dass die R ekruter hinter mir sind. Mir bleibt nur derWeg nach vorn. Ich atme tief durch, mache mich auf alles gefasst und reiße jede Tür auf, die ich finde, auf der Suche nach einemTreppenhaus.Verzweifelt wünsche ich mir eine größereWaffe als mein kleines Messer, meine Hände kommen mir unbewaffnet so nutzlos vor.
    Doch fast alles ist ausgeplündert, ich laufe dieWendeltreppe am Ende des Ganges hinunter, schenke den Überbleibseln aus der Zeit davor kaum Beachtung – alteTapeten, die auf dem Putz kleben, hier und da ein Bild an derWand.
    Schließlich stoße ich im Erdgeschoss auf eineWohnung, die den Eindruck macht, als wäre sie vor nicht allzu langer Zeit noch bewohnt gewesen, der Geruch nach abgestandenem Essen hängt in der Luft. Ich reiße die Tür auf zu einem Raum mit einem grob gezimmerten Tisch und einer Bank vor dem Fenster . A n derWand gegenüber lehnt eine Machete. Ich gehe hinein und hole sie mir, froh, ihr Gewicht in der Hand zu spüren.
    Als ich gerade gehen will, hält mich etwas auf, ein Kribbeln im Nacken. Ich lausche.Von draußen höre ich nur das Stöhnen derToten, das Schlurfen ihrer Füße. Nichts deutet darauf hin, dass die R ekruter schon bis zu diesem Gebäude vorgedrungen sein könnten.
    »Hallo?«, sage ich in die Leere. Ich dringe weiter in dieWohnung vor, stoße gegen eine Tür mit einem Riss. Langsam schwingt sie auf und gibt den Blick auf ein durchhängendes Bett mit einer MengeWolldecken und einem deutlich sichtbaren Hügel darauf frei . A lles ist von Staub und einer dünnen Dreckschicht bedeckt, das vernagelte Fenster lässt kaum Licht herein.
    Auf einer Kiste neben dem Bett befinden sich eine Laterne und ein Feuerstein, vorsichtig gehe ich darauf zu und greife danach . A ber ich kann nicht aufhören, das Bett anzustarren, und irgendetwas bringt mich dazu, die Decke anzuheben – und einen Schädel zu enthüllen, R este von Haar und zerrissene Kleider.
    Zwei Leichen, eher vertrocknete Skelette, liegen ineinander verschlungen da, so als hätten sie sich eines Abends schlafen gelegt und wären nie wieder aufgewacht.
    Meine Augen brennen, ich halte die Tränen zurück. Dann werfe ich die Decke wieder über die toten Körper und gebe ihnen Frieden. Mir haben sie schon gegeben, was ich brauchte. Ich stecke den Feuerstein in die Tasche und nehme die Laterne in die eine, die Machete in die andere Hand, renne den Flur zurück und die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Wie mag es wohl sein, frage ich mich, wenn man in den Armen des Menschen stirbt, den man am meisten liebt?

42
    I m Erdgeschoss herrscht Chaos und Lärm: so viele Leichen, die gegen die Wände trommeln, das Jammern und Stöhnen, das Knarren von altem Holz, das einbrechen wird.TausendeTote umzingeln das Gebäude nun, krallen, hauen, drängeln – alle wittern sie mich . A lle brauchen sie mich.
    Ziegel und Zement können nicht alles aushalten. Schon spüre ich die Vibrationen im Gebäude und höre es ächzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Ungeweihten den Zugang erzwingen.
    Ich gelange in einen riesigen leeren Raum. Dünne Lichtstrahlen dringen durch mit Brettern vernagelte Fenster, fallen auf riesige verblasste Bilder von halbnackten Jungen und Mädchen in sonnigerenTagen. Wie verletzlich sie wirken … wie naiv, so ungeschützt in einerWelt voller Gefahren zu stehen, denke ich nur, als ich an ihnen vorbeilaufe.
    Hektisch suche ich nach einer weiterenTreppe nach unten, denn es liegt ja auf der Hand, dass sich der Zugang zu denTunneln unter der Erde befinden muss.
    An derWand gegenüber ist eine schmale Tür, die von einem Netz rostiger Streben blockiert wird. Mit einem frustrierten Knurren zerre ich daran, und das spitze Ende einer Strebe kratzt mir über den Arm, als ich sie abreiße. Ich werfe die Streben hinter mich, die mit einem hohlen Geräusch auf dem Boden landen.
    Ich kann mich gerade eben in einen dunklen Gang hineinquetschen, der nach Schimmel undVerfall riecht. Dort nestele ich an der Laterne und entzünde ein schwaches Licht, das flackert und zischt.
    Ringsherum drohen Schatten mich zu verschlingen, und wieder einmal muss ich mich daran erinnern, dass ich überleben kann. Ich kann denWeg aus dieser

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