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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Augenblick zu verschwenden ist dumm, trotzdem halte ich die Postkarte hoch, drehe und wende sie. Bei jedem Herzschlag zittern meine Finger, die Panik treibt das Blut durch meinen Körper.
    Und dann passt alles perfekt. Da ist das Skelett des einstigen gläsernenWolkenkratzers, dahinter das Gebäude mit dem grünen Dach und den Bogenfenstern.
    Aber wo sind diese geheimen Räume? Ich kneife die Augen zu, versuche mich zu erinnern, was meine Schwester mir von diesen Orten erzählt hat, aber ich weiß nur noch, wie frustriert und skeptisch ich gewesen bin.
    Ich falle auf die Knie, blättere die Bücher hektisch nach irgendetwas durch, das mir einen Anhaltspunkt geben könnte. Nichts.
    Die R ekruter rennen auf mich zu, aber einen direktenWeg gibt es nicht, sie müssen immer wieder umkehren, wenn sie an zerstörte Brücken kommen. Mehr als eine Handvoll Männer sind es nicht, und obwohl ich es vielleicht mit ihnen aufnehmen könnte, wäre esWahnsinn, so etwas zu versuchen.Wenn ich verletzt werde, wenn sie mich überwältigen – kann ich mir keine Hoffnungen machen, Catcher je wiederzufinden.
    Ich will gerade aufgeben und losrennen, da bemerke ich winzige Zahlen auf der Postkarte, so klein, dass sie fast mit dem Hintergrund verschmelzen. Ich halte die Karte zum Himmel, drehe sie zur Morgensonne, damit ich besser sehen kann, und begreife, was ich hier sehe: Seitenzahlen.
    Meine Schwester hat einen Schlüssel gemacht.
    Ich versuche, regelmäßig zu atmen, schlage die entsprechenden Seiten in dem Buch auf, in dem die Karte steckte. Dann sichte ich die Geschichte der drei Gebäude und würde am liebsten vor Frustration schreien, doch da erregt etwas meine Aufmerksamkeit.
    Ein Zeichen für die U-Bahn. Ein Bild von einem verrosteten Schild über einer alten Metalltür. Ein Pfeil, der auf das Gebäude mit dem grünen Dach genau unter mir zeigt. Eine Fußnote über eine Geisterstation im Kellergeschoss.
    Ich stecke die Postkarte in mein Hemd und renne übers Dach zum nächsten Gebäude und dem daneben, dabei springe ich über die kleinen Mauern dazwischen. Vielleicht ist es dumm von mir, dem Buch Glauben zu schenken. Meine Schwester ist diejenige, die überzeugt davon ist, dassTeile dieser Stadt noch genau so erhalten sind wie zu Zeiten der R ückkehr – dass es immer noch Orte gibt, die in der Zeit davor verwurzelt sind.
    Doch dieses Risiko muss ich eingehen.Wenn ich hier oben bleibe, werden die R ekruter mich irgendwann einholen und überwältigen. Sie werden mich zurück in den Inneren Bereich bringen, wo Catcher und ich für immer gefangen bleiben werden.
    Das kann ich ihm nicht antun. Lieber riskiere ich mein Leben, als dass ich zusehe, wie sie ihn wieder zu ihrem Lakaien machen.
    Der Morgenwind umweht mich, hoch über meinem Kopf treibt er Ballons träge über den Himmel . A lle jagen sie einem Fähnchen Rauch am Horizont nach, das sie zu Catcher und in Sicherheit bringt . A lle sind so nah, doch außerhalb meiner R eichweite.
    Die Brücke unter meinen Füßen schwankt, als ich sie überquere, eins der Bretter bricht, mein Bein tritt ins Leere. Ich kämpfe mit dem geflochtenen Geländer, schiebe mein Handgelenk hindurch, um den Absturz zu verhindern. Keuchend schließe ich die Augen, nur einen Moment. Langsam taste ich mich zum nächsten Brett vor, prüfe, wie stark es ist, bevor ich mein Gewicht verlagere.
    Schon höre ich die R ekruter hinter mir rufen, der Abstand verringert sich. Mein Körper schreit danach zu rennen, aber ich zwinge mich zu gleichmäßigen Schritten und teste jeden Abschnitt der Brücke, ehe ich quälend langsam auf die andere Seite gehe.
    Immerzu muss ich über die Schulter schauen und beobachten, wie die uniformierten Gestalten sich näher und näher heranschlängeln. Länger kann ich mich nicht gegen das Bedürfnis zu rennen wehren, ich springe auf das grüne Dach des Gebäudes, bei der Landung rutsche ich auf einem vereisten Fleck aus.
    Ohne mich aufzuhalten sprinte ich zum Notausgang und rase dieTreppen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal. Unten auf der Straße wittern mich die Pestratten und heben die Köpfe, die Münder weit aufgesperrt. Es sind so viele, es ist, als würde man auf einen sich windenden Haufen Maden im Körper eines toten Tieres schauen. Sie kratzen an den alten Ziegeln, drücken sich gegen brüchig wirkende Bretter, mit denen die großen Eingänge im Erdgeschoss versperrt sind.
    Ich schlüpfe in das erste offene Fenster an meinemWeg und bin froh, den Geräuschen derToten zu

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