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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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länger am Leben halten wird.
    Er reibt sich den kahlen Kopf und wischt den glitzernden Schweiß weg. »Als wir dich über die Mauer geworfen haben. Der Käfig. Nicht, dass ich gutheißen würde, wie Conall sich verhalten hat – aber funktioniert hat es. Ehe wir von dir erfahren haben, dachten wir, deine Schwester wäre nützlicher dabei, ihn unter Kontrolle zu behalten.« Er zuckt mit den Schultern. »War ein Irrtum . A ls du aufgetaucht bist, mussten wir herausfinden, aus welcher Schwester er sich mehr machte. Und es stellte sich heraus, dass du das bist.«
    Ich denke an alles, was ich durchmachen musste, die Qualen und den Schmerz. »Du bist schlimmer als die Ungeweihten«, zische ich. »Du bist ein Monster.«
    »Es hat funktioniert«, sagt er ruhig. »Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, habe ich dir gesagt, dass ich alles tue für meine Männer. Du hättest mir glauben sollen.«
    »Wie verrückt und dumm du doch bist. Du hast gesagt, es gäbe keinen anderen Ort, an den man gehen kann. Du bist doch überzeugt davon, dass es außer uns niemanden mehr gibt.«
    Er schüttelt den Kopf und geht einen Schritt auf mich zu. Ich straffe die Schultern, hebe das Kinn, bin bereit zum Angriff. Er bleibt stehen. »Die Entscheidung liegt nicht bei mir«, erwidert er. »Ich entscheide nicht, ob wir die Letzten sind. Ich sorge nur für die Sicherheit der Leute. Sie werden entscheiden, ob es eine neue Generation geben wird.«
    Ich schnaube verächtlich. »Auf der Insel sind nur Männer.«
    Er legt den Kopf schräg. »Wir haben auch Souler-Frauen. Sie haben gelernt, sich mit einigen meiner Männer ein Leben einzurichten.«
    Mir dreht sich der Magen um bei derVorstellung, gewaltsam eine neue Generation zu erschaffen.
    »Denkst du nie über die allerersten Menschen nach?«, fragt er. »Wie es für sie gewesen sein muss? So völlig unvorbereitet in dieser gefährlichen neuenWelt?«
    »Meinst du, nach der R ückkehr?« Ich mache noch zwei Schritte nach hinten. Lange wird es nicht mehr dauern, bevor dieWelle der Ungeweihten in die Station brandet.
    Er lacht, das Geräusch passt einfach nicht zu diesenTunneln. »Nein, ich meine die ersten, die überhaupt gelebt haben.Was wäre geschehen, wenn sie einfach aufgegeben hätten?«
    »Dann wäre wohl nichts aus der Menschheit geworden«, sage ich. Über uns ziehen sich immer mehr Risse durchs Glas, das Blei erzittert unter dem Gewicht so vieler untoter Körper. Ich ziehe mich weiter in denTunnel zurück, es ist, als ob Ox nur vor dem leeren Grab der Station sprechen würde.
    »War etwa alles sinnlos, was vorher war, weil wir jetzt ohne viel Hoffnung hier stehen?«, ruft er mir hinterher. »Der Aufstieg und Fall vonWeltreichen? Die Familien, Kriege,Verlust,Wachstum, Wissen und das Streben nach Besserem? Geht es immer um das Ende und nie um den Anfang? Immer um das Fazit und nicht um denWeg dahin?«
    Er sucht nach Bedeutung, wo es keine gibt. Das hätte er inzwischen lernen können. »Ich habe genug vonWegen«, brülle ich aus dem Lichtkreis meiner Laterne heraus. Ich schaue hinter mich, in die endlosenTunnel, die nach mir rufen. »Manchmal führen sie nirgendwo hin.«
    MeineWorte gehen in einem gewaltigen Klirren unter, Glas splittert auf den Bahnsteig. Ich drücke mich an dieWand, die Splitter fallen mir nur vor die Füße, denn ich habe mich weit genug in denTunnel verzogen.
    Ox, der noch immer am Bahnsteig steht, geht in die Hocke und schlägt die Arme über dem Kopf zusammen, als Bleiteile derVerglasung von der Decke stürzen. Die alten Fenster der Station biegen sich und brechen, das Stöhnen braust über uns hinweg. Es knirscht gewaltig, Metall auf Metall, dann regnen Leichen herab.
    Die ersten paar landen mit einem widerlich dumpfen Aufprall. Ihre Knochen knacken, und scharfe Brüche durchstechen weiß die Haut. Doch trotz der fast vollständigen Zerstörung ihrer Körper gieren sie verzweifelt nach Ox.
    Ich folge dem Lauf der Schienen, während dieToten vorankriechen, die Knochen ihrer Beine scharren mit einem grausigen Kratzen über den Beton, Finger greifen haltlos in die Luft.
    Ox steht im Leichenregen; einen hilflosen Moment lang begegnen sich unsere Blicke. Ein Oberschenkelknochen bricht, ein Kopf platzt auf, einer bleibt reglos liegen. Es hört nicht auf. Immer mehr Leichen fallen aufeinander, stapeln sich so hoch, dass die unten den Fall der anderen dämpfen. Sie rollen und winden sich, bis sie Halt finden und anfangen vorwärtszustolpern.
    Der Lärm wird

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