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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Willing wusste, wäre nicht so leicht aus ihm herauszubekommen.
    An seinen Unterarmen prangte eine Reihe von Tattoos. Die meisten nahmen in fetter Frakturschrift und codierter Form auf Wohnviertel, Gangzugehörigkeiten sowie verschiedene andere historische Meilensteine Bezug. Eine Tätowierung stach hervor. Sie befand sich auf dem Rücken seiner rechten Hand. Die verschnörkelten, filigranen Buchstaben ergaben das Wort Lali.
    »Wer ist Lali?«, fragte ich.
    »Niemand«, antwortete er. Zum ersten Mal hatte er etwas gesagt; seine Stimme war tief, sein Akzent schwer. Das Wort kam als knappe, feindselige Silbe heraus: nimmd.
    »Niemand«, wiederholte ich. »Das Tattoo habe ich auch!«
    Er ignorierte meinen Versuch, witzig zu sein. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich etwas in seinem Gesicht. Eine Frage, eine Bitte. Rette mich, vielleicht, oder Töte mich.
    »Deine Freundin?«, fragte ich.
    Er wandte den Blick ab und schwieg.
    »Vic Willing verschwand während des Sturms«, sagte ich. »Ich will herausfinden, was ihm zugestoßen ist.« Mir war aufgefallen, dass die Einwohner von New Orleans, wenn sie von dem Sturm sprachen, nicht den Hurrikan an sich meinten, der nur für wenige Stunden gewütet hatte. Sie meinten die ganze Woche, einen Zeitraum, der mit den Evakuierungen begann und etwa sieben oder acht Tage andauerte.
    Andray schwieg.
    »Wo warst du?«, fragte ich. »Während des Sturms?«
    »Convention Center«, murmelte er.
    »Lass uns davor anfangen«, schlug ich vor. »Am Freitagabend. Der Freitag vor dem Sturm. Was hast du an dem Freitag gemacht?«
    Er atmete tief ein, setzte sich auf und schaute mich zum ersten Mal an.
    »Freitagabend«, sagte er. »Freitag war ganz normal. Am Sonntagabend, da fing es an. Wir sind zum Superdome gegangen. Wir waren ganz fix wieder draußen. Die wollten keinen rauslassen, aber wir haben einen Weg gefunden.«
    »Wir?«, fragte ich.
    Andray nickte. »Ich und Terrell«, sagte er.
    »Wer ist Terrell?«, fragte ich.
    Andray schien sich darüber zu wundern, dass ich nicht wusste, wer Terrell war. Nicht ungewöhnlich in New Orleans, wo jeder jeden kannte.
    »Ach, niemand«, sagte Andray, »so ein Bekannter von mir. Sie kennen den nicht. Ich, er und Trey waren zusammen. Trey ist weg, also von dem bekommt keiner mehr ein Alibi. Also, ich habe mich auf die Suche nach meiner Freundin gemacht, Lali. Seit dem Sturm will sie nichts mehr mit mir zu tun haben, aber damals war sie noch meine Freundin. Ich bin also zu dem Haus, wo sie gewohnt hat, um sie zu holen. Dann haben ich und Terrell und Lali und Trey uns auf die Suche nach meiner Mutter gemacht.«
    »Habt ihr sie gefunden?«, fragte ich. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er Kontakt zu seiner Mutter hatte; in den Akten hatte nichts darüber gestanden.
    Er schüttelte den Kopf und lebte auf, was in diesem Fall bedeutete: Er wurde wütend.
    »Also bin ich zum Superdome, um sie zu suchen«, erzählte Andray, »aber inzwischen hatten sie schon angefangen, die Leute ins Convention Center zu bringen, also schauten wir auch da nach, und wissen Sie, da war echt die Hölle los. Also sind ich und mein Kumpel Peanut los – der ist tot, Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen, nach ihm zu suchen –, um Autos für alle zu organisieren und die Stadt zu verlassen. Also fahren ich, Terrell, Peanut, Pee Wee, Lali, Peanuts kleine Schwester und deren Kinder, Pee Wees Freundin und deren Kinder alle zusammen nach Houston. Direkt bis zum Astrodome, aber die Penner lassen uns glatt nicht rein! Angeblich hätten wir keine Berechtigung oder so einen Scheiß. Aber dann waren da diese Leute, die gesehen haben, wie man uns hat abblitzen lassen. Die haben uns mitgenommen zu sich nach Hause, in das Haus, wo sie selbst gewohnt haben, haben uns Essen gekocht und uns einen Schlafplatz organisiert und so weiter. Nelson, so hießen die. Tom und Mary Nelson. Also, wissen Sie«, fügte er sicherheitshalber hinzu, »da draußen gibt es auch nette Leute.«
    »An welchem Tag war das?«, fragte ich.
    Andray zuckte die Achseln. »Ich hab nicht mitgezählt. Ein Tag war wie der andere.«
    Ich versuchte es anders.
    »Woher kanntest du Vic Willing?«, fragte ich.
    »Ich habe ein paar Mal den Pool in seinem Innenhof gereinigt«, sagte Andray. »Für so eine Firma. Die haben mich da hingeschickt.«
    Ich hatte in seiner Akte gelesen, dass Andray sich im letzten Jahr bei einer gemeinnützigen Organisation namens Southern Defense beworben hatte. Die hatten ihn an einen Arbeitgeber

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