Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
sagte Mick. »Nun komm schon.« Ich musterte ihn noch einmal. Nun, da er sich nicht mehr bemühte, konnte ich sehen, wie müde er war. Er sah älter aus als erwartet. Wenn ich fünfunddreißig war, musste er um die vierzig sein. Er sah zehn Jahre älter aus.
    Ich öffnete die Tür und hinderte Mick nicht daran, mir ins Zimmer zu folgen. An einer Wand hing ein Heizlüfter, den ich voll aufdrehte. Ich stellte meine Tasche hin, warf meinen Mantel ab und setzte mich im Schneidersitz aufs Bett. Ich fischte einen halb gerauchten Joint aus dem Aschenbecher auf dem Nachttisch, zündete ihn an und inhalierte tief.
    Mick setzte sich ans Fußende. Er nahm den Joint entgegen, zog ein paarmal daran und reichte ihn mir zurück.
    »Ich habe gehört, dass du gestern bei Andray Fairview im OPP warst«, sagte er.
    Ich blinzelte langsam. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass Micks Besuch etwas mit Vic oder Andray zu tun haben könnte.
    »Das ging aber schnell«, sagte ich.
    »Ich bin da in so einer Gruppe«, erklärte Mick, als wisse er selbst, wie lächerlich es war. »Southern Defense. Wir bieten Leuten, die sich keinen Anwalt leisten können, eine kostenlose Rechtsberatung an. Leuten wie Andray.«
    »Du betätigst dich ehrenamtlich?«, staunte ich. »Mick, das ist ja so verdammt unglaublich! Du hättest einen verdammten Orden verdient! Denk bloß nicht, du würdest mich nicht zutiefst beeindrucken, denn …«
    »Ob du es glaubst oder nicht, ich bin nicht gekommen, um dich zu beeindrucken, Claire«, sagte er verbittert. »Ich …«
    »Ich glaube es nicht«, sagte ich. »Aber wozu machst du das? Jeder hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger.«
    Mick legte sich aufs Bett und nahm noch einmal den Joint entgegen. Er seufzte wieder. »Ja, aber nur auf dem Papier«, sagte er.
    »Hör mit dem Geseufze auf«, sagte ich. »Das nervt.«
    Er inhalierte tief, verkniff sich aber diesmal den Seufzer und atmete stattdessen lautlos aus. »Also. Auf dem Papier bekommt man einen Verteidiger, aber der erscheint nicht. Diese Organisation, Southern Defense, hat es sich zur Aufgabe gemacht, allen einen Verteidiger zu stellen. Aber es gibt nicht genug Verteidiger. Die Organisation hat vierzehn Anwälte, und die sind total überlastet. Aus dem Grund haben sie Leute wie mich angesprochen. Kriminologen …«
    »Kriminologieprofessoren«, berichtigte ich ihn. Früher hatte Mick als Privatdetektiv gearbeitet, aber dann hatte er den Beruf an den Nagel gehängt, um zu unterrichten und sich ehrenamtlich zu engagieren.
    Ich hatte ihm den Schritt immer noch nicht verziehen, und ich hatte es auch in der nächsten Zeit nicht vor. Das Unterrichten war reine Zeitverschwendung. Nirgendwo lernte man weniger als an der Uni, wenigstens war ich nach meiner Stippvisite dort zu dieser Ansicht gelangt. Wenn er den Menschen wirklich helfen wollte, sollte er draußen in der Welt unterwegs sein und Rätsel lösen.
    »Wie auch immer«, sagte er, verkniff sich einen weiteren Seufzer und verdrehte die Augen. »Die meisten von uns arbeiten in der zweiten Reihe. Wir dürfen nicht vor Gericht auftreten, aber wir können beraten und Kontakte vermitteln. Ich war heute bei Andray, der gerade wegen einem Bagatelldelikt einsitzt, und da erzählt er mir doch glatt, eine verrückte weiße Lady wäre bei ihm gewesen, um ihm einen Mord anzuhängen. Tja, und du …«
    »Und ich bin immer noch die erste verrückte Weiße, die dir einfällt«, beendete ich den Satz. »Mick, das ist ja geradezu rührend. Wirklich. Ich bin praktisch zu Tränen gerührt.«
    Mick setzte sich auf.
    »Hör mal«, sagte er. »Claire. Andray Fairview hat Vic Willing nicht umgebracht.«
    »Woher weißt du das?«, fragte ich.
    »Ich kenne ihn«, sagte Mick. »Er hat Vic Willing nicht umgebracht.«
    Er klang nervös. Er hoffte inständig, die Wahrheit zu sagen, war sich aber selbst nicht sicher.
    Was die Leute hören wollen, ist egal. Ob die Leute einen mögen, ist egal. Egal, wenn die ganze Welt einen für verrückt hält. Egal, wessen Herz man bricht. Einzig die Wahrheit ist nicht egal.
    Ich streckte mich auf dem Bett aus und starrte die Zimmerdecke an. Mick lag neben mir und versuchte, Blickkontakt aufzunehmen. Wir lagen da und teilten den Joint. Eine Kutsche klapperte durch die Frenchman Street. Zwei betrunkene Streithähne liefen am Hotel vorbei und lallten unverständlich.
    »Wirst du die Polizei einschalten?«, fragte Mick schließlich.
    »Nein«, sagte ich. »Ich werde gar nichts tun, solange ich nicht sicher

Weitere Kostenlose Bücher