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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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St.-Anne-Parade stattfindet?«
    »Zu welchem Zweck?«, fragte ich. »Keine Ahnung. Die Umzüge haben keinen bestimmten Zweck, oder?«
    Constance verdrehte die Augen. »Die meisten nicht«, erklärte sie. »Diese hier schon. Wenn der Captain vorbeikommt, wirst du sehen, dass er eine kleine Holzkiste trägt. Übrigens wird kaum jemand sie bemerken, Claire, denn kaum jemand hat deinen scharfen Blick. Aber er wird eine Kiste dabeihaben. Und in der Kiste ist Asche. Eines Tages wird es meine Asche sein da in der Kiste.«
    Ich schauderte. Manchmal beschlich mich die seltsame Vorahnung, Constance würde mich umbringen. Ich kannte sie seit zwei Jahren, und sie war immer gut zu mir gewesen. Aber ich traute ihr nicht. Erst nach ihrem Tod erkannte ich, dass sie nichts Böses im Schilde geführt hatte. Ich hatte nicht gewusst, dass es solche Menschen gab; Menschen, die nicht aufrechneten, wie viel sie gaben, Menschen, die keine Rückzahlung verlangten.
    »Die Prozession endet am Ufer des Mississippi«, fuhr Constance fort, »und dort wird die Asche in den Fluss gestreut.«
    »Wer ist es?«, fragte ich. »Ich meine, wer war …«
    »Mitglieder der Gesellschaft«, sagte sie. »Freunde, Angehörige. Eines Tages ich und hoffentlich auch du.«
    Sie lächelte mich an, aber es war ein seltsames Lächeln, melancholisch und geheimnisvoll. Constance hatte sich immer gewünscht, ich würde mich in New Orleans stärker einbringen. Sie wollte, dass ich die Stadt genauso liebte, wie sie es tat. Und eine Zeitlang war es tatsächlich so.
    Die Parade zog mit Tanz und Gesang vorbei. Eine Frau hatte sich als Teufel verkleidet, eine andere als Puppe, die Männer gingen als Frauen und Frauen als Männer, ich sah Cowboys und schwarze Indianer und Priester und Nonnen, Leute in Polizeiuniform und andere, die nackt waren. Ich tat es Constance gleich, die sich vor dem Anführer des Umzugs tief verbeugte, und ich sah die kleine Holzkiste in seiner Hand.
    Wir schlossen uns der Parade an und reihten uns zwischen einer Gruppe von Kazoo-Spielern und einer Blechbläsercombo aus Tremé ein. Jemand gab mir einen Pilz. Ich vermutete, dass es sich um einen von der guten Art handelte, und aß ihn.
    »Du verstehst einfach nicht«, zischte Constance mich an, »dass es nicht alle Geister gut mit uns meinen.«
    Constance hatte nichts gegen meinen Drogenkonsum. Im Gegenteil, sie zeigte mir, wie man Traumkraut einsetzte, um prophetisch zu träumen, und wie man sich mit Hilfe von Iboga schlechter Gewohnheiten entledigte. Zwei Mal hatte sie Ayahuasca genommen, und sie gehörte zu den ersten zwölf Menschen auf der Welt, die DMT geraucht hatten.
    Sie hatte jedoch auch immer gesagt, das Beste wäre es, sich den Pfad zur Wahrheit selbst freizuschaufeln, statt in die Fußstapfen eines anderen zu treten.
    Die Wirkung des Pilzes setzte genau in dem Moment ein, als der Umzug sich auflöste. Constance ging zu einer Freundin, und ich lief durchs French Quarter und suchte Mick, den ich schließlich in der Decatur Street im Rinnstein sitzend fand.
    Ich dachte, wenn ich den wundervollsten Ort auf Erden erschaffen könnte, würde er genau so aussehen. Ich hatte nicht zu träumen gewagt, dass es so etwas geben könnte. Ich hatte das Gefühl, den Schlüssel zu einem geheimen Garten zu besitzen, in das größte aller Geheimnisse eingeweiht zu sein. Ich war verliebt in New Orleans.
    »Du siehst wunderschön aus«, sagte Mick, als er mich sah. »Wie ein Engel.«
    »Was zum Teufel hast du genommen?«, fragte ich.
    Ein Jahr später war Constance tot und ihre Asche in der Kiste.
    Ich war nicht dabei. Ich verließ New Orleans eine Woche nach ihrem Tod.
    Manches kann man nie vergeben.

    »Miss Claire«, hörte ich, »yo, Miss Claire!«
    Ich öffnete die Augen. Andray sah mich an.
    »Ich glaube, Sie sind eingeschlafen«, sagte er.
    »Da hast du wohl recht«, sagte ich. »Du wärst ein verdammt guter Detektiv.«
    Andray lachte. Ich war müde und hatte Hunger. Der Adrenalinstoß unseres kleinen Abenteuers war verflogen und hatte mir eine Unterzuckerung und Kopfschmerzen beschert. Ich fragte Andray, wo er abgesetzt werden wollte.
    »Egal«, sagte er.
    »Wo?«, fragte ich.
    »Die Stelle, an der ich eingestiegen bin, wäre okay«, sagte er.
    »Wo du fast erschossen worden wärst?«, fragte ich. »Da?«
    Andray sah mich an, als sprächen wir zwei verschiedene Sprachen. »Miss Claire«, sagte er langsam. Es war die höfliche Anrede, die ein junger Einwohner von New Orleans wählte, wenn er eine ältere

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