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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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ein braver Junge.«
    Ich kratzte ihm den Kopf, was er zu mögen schien.
    Boos Besitzer drehte sich zu den anderen um. »Hey, Jack«, sagte er, »sieh dir das mal an. Sieh es dir bloß an.«
    Ein großer, bedrohlicher Schatten näherte sich. Die Lichtverhältnisse und meine Kopfverletzung und der Schnaps ließen ihn wie einen von hinten beleuchteten Riesen aussehen. Als sich das Bild scharf stellte, erkannte ich einen Mann in einem zu großen Mantel.
    »Boo mag nicht jeden«, sagte der Schatten. Die Stimme klang vertraut, aber ich konnte sie nicht …
    »Nein, auf keinen Fall«, sagte Boos Besitzer.
    Der Schatten kam näher, und ich spürte seinen Blick.
    Alles drehte sich. Ich sah den Schatten, der nun kein Schatten mehr war.
    Es war Jack Murray.
    »Komm, DeWitt«, sagte der Schatten, »du und ich, wir machen einen Spaziergang.«

    Ich folgte Jack schweigend. Er trug denselben zerknitterten Mantel wie auf dem Congo Square und darunter einen Anzug, der früher einmal jede beliebige Farbe gehabt haben mochte, inzwischen aber zu Grau verblasst war. Wir gingen zum Moonwalk, einen Spazierweg unten am Fluss. Wir setzten uns auf eine Bank. Jacks Gestank sorgte dafür, dass wir ungestört blieben. Ich war alles andere als nüchtern, doch es gelang mir, ein paar Fragen herauszubringen; und ich war nüchtern genug, mich am nächsten Tag an seine Antworten zu erinnern. Ich erinnerte mich an sein waberndes, in der Dunkelheit schwebendes Gesicht, wenigstens sah es für mich so aus, das nur von unseren Zigaretten erhellt wurde. Oder waren es Joints? Hatten wir Kokain inhaliert oder jene langen, braunen, in Gift getränkte Zigaretten geraucht? Ich war mir sicher, dass wir beide etwas Kleines, Brennendes in der Hand gehalten hatten, wusste aber nicht mehr, was. Ich hatte meine Fragen vergessen, erinnerte mich aber an Jacks Antworten.
    »Ich kannte Vic von früher«, sagte Jack Murray. »Er und ich, wir gingen zusammen in den Kindergarten und später an die Tulane University. Zwei brave Jungs aus Uptown, ich und Vic.« Er lachte. »Ja, ich weiß, was ihm zugestoßen ist. Aber du musst es selbst rausfinden, DeWitt. Du hast alle Hinweise. Du musst sie nur richtig zuordnen. Du versuchst, mit dem Kopf zu denken, aber du solltest dich an die Worte des Mannes erinnern: Es gibt keine Zufälle. Glaube nichts. Hinterfrage alles. Folge den Hinweisen. Besonders dem ersten.«
    Später, als wir zu viel von der unbekannten Substanz geraucht und doppelt so viel, wie verträglich war, getrunken hatten, sagte er: »Tja, ich bin mit meinem Schicksal zufrieden.« Ich sah sein entspanntes Gesicht über der Zigarette, seinen klaren, aufmerksamen Blick. »Ich habe mein Rätsel gelöst«, sagte er. »Ich habe meine Antwort gefunden, sie geht nur mich und Gott etwas an. Mich und Gott und niemanden sonst. Ich weiß, es sieht danach aus, als hätte ich nichts, dabei habe ich alles. Ich habe meinen Frieden gefunden, und mehr wollte ich nie. Dich, DeWitt, dich beneide ich nicht. Du hast noch einen weiten Weg vor dir. Du tust mir leid, denn du wirst einmal durch die Hölle müssen, um dein Rätsel zu lösen. Die Hälfte des Weges hast du hinter dir, aber das war noch gar nichts.«
    Ich war nüchtern genug, um zu wissen, dass ich ihm nie meinen Namen gesagt hatte.
    »Weißt du, die Leute denken, wir hätten es leichter, bloß weil wir gute Detektive sind«, erklärte er. »Dabei macht es alles nur komplizierter. Manches fliegt dir einfach zu, aber das bedeutet, dass du umso härter arbeiten musst. Weil man von dir mehr erwartet. Es bedeutet, dass du einen Platz im Leben hast, wo du gebraucht wirst. Du hast eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die nur du allein erfüllen kannst. Ein Buch, das du allein lesen kannst. Constance hat es gewusst«, sagte er, »sie wusste, dass die Wahrheit nicht immer im Buch steht. Sie steht in keiner Akte und auf keinem Blatt Papier. Sie lässt sich vergraben wie ein Schatz. Sie kann in den Himmel fliegen und sich im Wasser auflösen. Vielleicht steckt sie da drin.« Er zeigte auf seine mit Angel Dust verfeinerte Zigarette. »Vielleicht steckt sie in dir, in deinem Herzen. Wenn du weißt, wie es funktioniert, kannst du sie verstreuen, Stück für Stück. Entdeckt wird sie nur von jenen, die den Blick dafür haben. Das Gehör. Du tust den Leuten keinen Gefallen damit, wenn du es ihnen zu leicht machst. Das hatte sie verstanden. Man kann einem anderen seine Aufgabe nicht abnehmen. Man kann sein Rätsel nicht für ihn lösen. Nicht einmal nach

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