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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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morgen früh wieder.«
    Ich ging zum Hotel zurück und holte meinen Revolver aus dem lustigen Schlitz im Badezimmer, in dem in den Hotels immer die Papiertücher stecken, so als sei eine nackte Papiertücherpackung etwas Unanständiges. Ich überprüfte ihn kurz auf seine Einsatzbereitschaft und winkte mir auf der Decatur ein Taxi heran, um nach Uptown zu fahren. Mick wartete vor dem Haus auf mich. Er überreichte mir die Autoschlüssel und erteilte mir Instruktionen: Manchmal klemmt der Lichtschalter, dann musst du dran rütteln. Manchmal säuft der Motor an der roten Ampel ab. Das Fenster auf der Fahrerseite lässt sich nur bis zur Mitte runterkurbeln, du musst es mit Gewalt runterdrücken, aber am besten lässt du es, weil es dann kaum wieder raufgeht. Ich hatte vergessen, wie es war, kein Geld zu haben.
    »Wo willst du hin?«, fragte Mick. »Hast du eine Spur oder …«
    »Nein«, log ich. »Keine Spuren und keinen Plan. Ich wollte einfach nur ein bisschen rumfahren und abwarten, was passiert.«
    Mick nickte, als hielte er das für eine gute Idee. Dabei wusste ich genau, dass er das Gegenteil dachte.
    Die Wahrheit hätte ihm noch weniger gefallen.
    Von Micks Haus benötigte man weniger als fünf Minuten nach Central City. Andray und Terrell standen an der üblichen Ecke. Da waren auch noch andere Jungen, von denen ich aber keinen kannte.
    Terrell bemerkte mich als Erster. Er stieß Andray an und zeigte in meine Richtung. Natürlich hielten sie mich für Mick. Ich fuhr vorbei und parkte am Ende der Straße. Andray kam langsam herangeschlendert, um zu erfahren, was ich – Mick – von ihm wollte.
    Er trat an das Auto und beugte sich herunter.
    Ich kurbelte die Seitenscheibe runter und zielte mit dem Revolver auf ihn.
    »Überraschung!«, sagte ich.
    Andray rannte los. Er sprang in den nächsten Hauseingang, vermutlich, um durch den Hinterausgang auf die Parallelstraße zu fliehen. Ich fuhr einmal um den Block und sah ihn durch einen Vorgarten rennen. Ich trat auf die Bremse, stieg aus und nahm die Verfolgung auf. An der nächsten Ecke hatte ich ihn eingeholt, und als es so weit war, hatte ich die Waffe im Anschlag. Ich packte Andray an der Schulter und hielt ihm den Revolver ins Gesicht. Wir keuchten beide, unser Atem hing sichtbar in der kalten Luft.
    Andray verdrehte die Augen und bemühte sich, unbeeindruckt und gelangweilt auszusehen. Aber eine Sekunde lang sah er aus wie bei unserer ersten Begegnung. So als sei er am Ertrinken. So als hoffte er, ich würde dem Ganzen ein Ende bereiten und ihn einfach erschießen.
    Der Ausdruck verflog so schnell, wie er gekommen war.
    »Scheiße«, sagte er.
    Ich hielt ihm die Waffe ins Gesicht und tastete ihn ab. Ich fand eine Neunmillimeterpistole und ein Jagdmesser und ließ beides in meiner Handtasche verschwinden.
    »Wir gehen jetzt zum Auto«, sagte ich.
    Andray schüttelte den Kopf.
    »Ich will dir nicht weh tun«, sagte ich. »Ich will nur reden.«
    Er schüttelte wieder den Kopf und rang um Fassung. »Wenn Sie mich erschießen wollen«, sagte er, »können Sie es gleich hier tun. Dann sterbe ich hier.«
    Ich sah seine Todesangst. Er dachte wirklich, ich würde ihn töten. So wie die meisten Menschen, die Selbstmordgedanken mit sich herumtrugen, wollte auch Andray eigentlich nicht sterben. Das Sterben war das Problem. Er wäre lieber schon tot gewesen.
    Inzwischen waren ein paar der anderen Jungen um die Ecke gekommen. Sie behielten uns im Blick, aber keiner kam näher, um Andray zu helfen. Ich verstand, was er und Terrell mir über Freundschaft erzählt hatten. Die anderen Jungen schienen in erster Linie belustigt zu sein.
    »Ich will dir nicht weh tun«, wiederholte ich sanft, »aber ich …«
    »Ich steige nicht zu Ihnen ins Auto, Lady«, sagte er, »auf keinen Fall!«
    Ich schaute mich um. Ich hätte den Revolver einstecken können, war mir aber wegen der anderen Jungs nicht sicher.
    Ich hatte schon öfter Dummheiten gemacht, aber diese hier war besonders dumm.
    »Okay«, sagte ich zu Andray, »sag deinen Freunden, dass alles okay ist. Wenn du das tust, nehme ich die Waffe runter. Wir steigen nicht ins Auto. Vergiss das Auto. Okay?«
    Er nickte und schluckte.
    »Sag deinen Freunden, alles ist okay!«
    »Hey, G«, schrie Andray. »Ist schon gut. Sie ist eine Bekannte, Mann. Sie ist bloß sauer auf mich.«
    Der Junge namens G sah uns misstrauisch an.
    »Ist schon okay«, rief Andray. »Bleib, wo du bist, G. Wir klären das. Sie muss sich bloß beruhigen.«
    G

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