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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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gekommen wäre. Endlose Möglichkeiten zogen an meinem geistigen Auge vorbei. Keine davon beinhaltete Schusswaffen, Pflegeeltern oder Gefängnisaufenthalte.
    »Andray«, sagte ich, »ich will die Wahrheit wissen. Was ist zwischen dir und Vic Willing vorgefallen?«
    Er seufzte und sah sich um.
    »Hör mal«, sagte ich, »ich hätte dich schon zwei Mal verhaften lassen können – ein Mal wegen Vic und ein Mal wegen letzter Nacht. Ich habe es nicht getan. Denk nach. Kannst du mir vertrauen oder nicht?«
    Er seufzte wieder. Ich konnte geradezu sehen, wie er innerlich schwankte. Ja, nein, ja, zurück auf nein.
    »Hör mit dem Geseufze auf«, sagte ich, »das nervt.«
    Ja, nein, ja, nein.
    Er seufzte wieder.
    Ja.
    »Okay«, sagte Andray schließlich entschieden. Er sah mir in die Augen. »Ich war da. Ich wusste, der Wichser hat Bier da und Wasser und so. Also bin ich hin, um mir was zu holen. Ich … ich war da nicht zum ersten Mal.«
    Ich wartete, aber er sagte nichts mehr. »Wann?«, fragte ich leise. »Wann bist du dort gewesen?«
    »Mr. Vic«, sagte er und schlug die Augen nieder, »hat bezahlt. Wenn er einen wegen einer Strafsache kennengelernt hat, hat er … Sie wissen schon. Man konnte es abarbeiten. Und manchmal hat er auch dafür bezahlt, dass Jungs ihn in seine Wohnung begleiten und, Sie wissen schon.« Ich nickte. Ich wusste schon. »Also bin ich ein paar Mal hin – ich meine, ich habe da nichts gemacht. Wirklich nichts. Aber er hatte es gern, wenn einer zusah, also schaute ich zu. Das war leicht verdientes Geld. Ich war aber nur ein paar Mal da. Ich mochte das nicht. Nicht, weil es zwei Männer waren. Ich … ich weiß auch nicht. Es war einfach nur traurig. Von vorne bis hinten. Also, da ist einer, der ganz dringend etwas braucht, nämlich Geld, und ein anderer, der was anderes braucht. Also ich … ich weiß auch nicht. Es war traurig.«
    Ich nickte. Ich zweifelte daran, dass er bloß zugeschaut hatte, aber es war egal. Es ging mich nichts an.
    »Warum hast du den anderen gesagt, sie dürften nicht mit mir reden?«, fragte ich.
    »Weil ich wusste, Sie würden mir nicht glauben«, sagte er. »Sie hatten sich schon eine Meinung gebildet. Ich hab allen gesagt: Wenn ihr der helft, seid ihr tot. Die meisten Leute wissen ohnehin Bescheid, ohne dass ich was sagen muss. Die wissen, man redet nicht mit der Polizei.«
    Ich dachte nach. Was er sagte, ergab Sinn.
    »Wie hast du Vic kennengelernt?«, fragte ich.
    »Zuerst habe ich seinen Pool sauber gemacht«, sagte Andray. »Das ist die Wahrheit. Und dann hat er mich eingeladen, das habe ich doch schon gesagt. Er hat mich zum Mittagessen eingeladen, mir von den Vögeln erzählt und so. Am Anfang dachte ich … ich dachte, er wollte bloß nett sein. Er hat gesagt, ich würde ihn an einen alten Freund erinnern. Wir haben uns ein paar Mal getroffen. Ich fand ihn in Ordnung. Aber dann sagte er irgendwann, wenn ich Geld brauchte, könnten wir. Danach habe ich mich nicht mehr mit ihm getroffen. Nur einmal, da habe ich das Geld wirklich gebraucht. Ich hatte Hunger. Ich hatte nichts mehr. Also. Ich glaube … ich glaube, er hat gewusst, dass er was Unrechtes tat. Das glaube ich.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil er sich hinterher immer entschuldigt hat«, sagte Andray. »Und mehr bezahlt hat, als vereinbart war.«
    Ich nickte.
    »Als der Sturm kam«, sagte Andray, »sind ich und Peanut und Slim und ein paar Jungs – Sie kennen die nicht – los, um Wasser und Essen und so zu besorgen. Wir sind zu Vics Wohnung gefahren und einfach eingebrochen.«
    »Wann war das?«, fragte ich. »Wann genau?«
    »Mittwochabend«, sagte Andray. Er schluckte. »So gegen zehn oder zwölf. Wissen Sie, die meisten Leute aus der Gegend waren schon weg. Da war Tag der offenen Tür. Ich bin rein, um zu holen, was ging. Vic war nicht da. Das Haus war menschenleer, das ganze Viertel fast leer. So war es. Das ist die Wahrheit.«
    Ich sah ihn an. »Bist du sicher«, sagte ich, »dass es am Mittwochabend war? Bist du ganz sicher?«
    Andray nickte und hob die rechte Hand, wie um zu schwören oder zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Er sah mir in die Augen. »Ich habe Sie angelogen, Miss Claire. Ich schwöre bei Gott, ich habe Sie angelogen. Deswegen waren meine Fingerabdrücke überall. Ich habe alles durchsucht.«
    »Hast du was gefunden?«, fragte ich.
    »Nur Bier und Wasser«, antwortete er. »Wie ich schon dachte. Aber, Mann, wir haben das gebraucht! Ich wusste, dass er eine ganze

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