Die Stadt der verkauften Traeume
um dich kümmert. Die Waisen sind natürlich sehr nützlich, aber ich mag es nicht, wenn die immer um mich sind, und kein Diener kann richtigen Tee zubereiten. Die sind immer dem stärkeren Stoff zugeneigt, wenn du verstehst, was ich meine …«
Sie lachte so schrill, dass Mark zusammenzuckte.
»So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte er. »Snutworth ist ein passabler Koch. Und außerdem ist es ja nur, bis das nächste große Geschäft anläuft.« Er unterbrach sich, als ihm klar wurde, dass Cherubina einfach nicht zuhörte. Stattdessen tupfte sie einem Teddybären den Mund ab. Diesmal war Mark nicht einmal besonders verärgert. Er war eher betrübt darüber, dass er die meisten seiner Diener hatte entlassen müssen. Snutworth zufolge hatte es einen Abschwung, einen geschäftlichen Niedergang gegeben.
Was eigentlich nicht sehr überraschend war. Als die Nächte länger wurden und der Sommer dem Herbst wich, hatte er dennoch damit gerechnet, wieder bessere Geschäfte zu machen. Doch die Sterne schienen nicht mehr so wie früher zu leuchten. Immer öfter blickte er nach oben und sah statt der hellen Punkte nichts als Dunkelheit. Nicht einmal seine Prophezeiung auf dem Großen Fest hatte die Menge in nennenswerte Begeisterung versetzt. In diesem Jahr hatte es kein Wunderkind gegeben.
»Nur ein Jahr …«, murmelte Mark vor sich hin. »Kommt einem vor wie ein ganzes Leben.«
»Was?«, fragte Cherubina und blickte auf. Ihre blonden Locken fielen ihr über die Augen.
Mark lächelte. »Nichts, ähm … Liebling …«
Die Zukunft hatte gewiss rosig ausgesehen. Damals, als er angefangen hatte, als sein neues Leben voller Aufregung gewesen war. Natürlich hatte jeder Geschäftsmann seine schlechten Tage, aber es ließ sich nicht leugnen, dass die Leute nicht mehr zu ihm herübersahen, wenn er den Raum betrat. Seine neuen Geschäfte liefen gut, aber nicht herausragend; sein Leben war erdrückend vorhersehbar geworden. Selbst Snutworths Nachforschungen hinsichtlich Lilys sogenanntem »Waage-Bund«, hatten nichts gebracht, außer dass er die Gunst von Lord Ruthven verspielt hatte, der nur wenige Tage, nachdem das Almosenhaus wiedereröffnet worden war, die Verbindung zu ihm abgebrochen hatte. Wenige Wochen vor seinem vierzehnten Geburtstag sah es ganz so aus, als gehörte er bereits zum alten Eisen.
Er spürte eine Hand auf der Schulter und blickte auf. Cherubina schnippte ihm spielerisch eine Strähne seines dunkelblonden Haares aus den Augen.
»Aber, aber, mein Mark darf nicht traurig sein«, sagte sie neckisch und schob ihm einen Teller unter die Nase. »Nicht wenn es Kuchen mit Zuckerguss gibt!«
Mark schaute in ihre erwartungsvollen, leuchtenden Augen und lachte. Es war lächerlich. Es war kindisch. Er war mit einem Mädchen verlobt, das nie über das Alter von sieben hinausgekommen zu sein schien und das kaum die Welt vor seiner Haustür gesehen hatte. Aber der Kuchen sah lecker aus. Er nahm das Stück in die Hand und biss hinein.
Außerdem, musste er zugeben, war es zuweilen gut, mit jemandem zu reden, der sich für etwas anderes als immer nur für das Geschäft interessierte. Manchmal kam es ihm vor, als sei er das einzig Wirkliche in Cherubinas Welt.
»Bleibst du zum Abendessen?«, fragte Cherubina. »Mami möchte feiern, Sie hat gerade wieder einen Schwung Arbeiter an die Papierfabrik verkauft …«
Mark schüttelte energisch den Kopf. »Ich muss wieder zum Turm. Snutworth bringt mir die neuesten Zahlen.«
Cherubina wandte sich von ihm ab. Er bemerkte einen neuen Ausdruck in ihrem Gesicht – so etwas wie Abneigung. Immerhin sah sie damit mehr nach ihrem wahren Alter aus.
»Es wäre mir lieber, du würdest diesen Gehilfen von dir nicht mehr mit hierherbringen«, sagte sie und spielte dabei mit einem ihrer vielen Armreifen. »Ich mag es nicht, wie er mich ansieht.«
Mark blinzelte. Das Bild tanzte einen Moment lang vor seinen Augen, bevor es zerbrach.
»Snutworth?«, fragte er ungläubig. »Er ist alt genug, um dein Vater zu sein! Außerdem kenne ich ihn seit Jahren. Er interessiert sich für nichts außer den Handel.«
»Das ist es ja gerade.« Cherubina spielte immer noch mit ihrem Armreif, ohne den Blick zu heben. »Du bist nicht der erste potenzielle Ehemann, den Mami für mich ausgesucht hat, Mark. Ich bin schon von älteren Männern als ihm angeschaut worden. So schlimm ist das auch wieder nicht.« Geistesabwesend fing sie an, eine Puppe zu kämmen. »Was siehst du, wenn du mich ansiehst,
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