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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Mark?«
    Sie schaute ihn an, und Mark überlegte einen Augenblick. Er sah eine junge Frau, die noch immer so tat, als sei sie ein Mädchen, hübsch verpackt in Rüschen, Spitzen und Ringellöckchen. Nur lag diesmal nichts Verspieltes darin, wie sie ihre Schultern hielt. Mark biss sich auf die Lippe. Er wollte nicht die falsche Antwort geben, und zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass es daran lag, dass er ihre Gefühle nicht verletzen wollte.
    »Dich«, erwiderte er und erwartete sogleich, dass sie ihm sagen würde, dass es die falsche Antwort war.
    Stattdessen lächelte Cherubina, aber viel trauriger, als er es für möglich gehalten hätte. »Snutworth sieht mich nicht. Er sieht das Zimmer«, sagte sie.
    Eine Glocke läutete.
    Mark stand auf. »Das wird er wohl sein«, sagte er unbeholfen. »Ich mache ihm auf.«
    Cherubina nickte, erhob sich ebenfalls und bot ihm ihre Hand an. In Gedanken schon ganz woanders, ergriff Mark sie, um sie zu küssen. Eine merkwürdige Zeremonie, die zu befolgen ihnen nichtsdestoweniger nahegelegt worden war.
    Ihre Hand war kälter als sonst, und als er sich zurückzog, hielt sie ihn auf.
    »Kommst du morgen wieder?«, fragte sie.
    Mark wollte sie schon vertrösten, etwas vom unablässigen Druck seiner Geschäfte sagen, doch dann nickte er stattdessen und entließ ihre Hand sanft aus seinem Griff. Trotz des albernen Kicherns, trotz der Puppen und der Verspieltheit begann er dieses merkwürdige Mädchen allmählich zu mögen. Sie mochte zwar mit familiärem Reichtum gesegnet sein, von dem seine Familie nur hatte träumen können, aber letztendlich war sie von ihrer Mutter verkauft worden, genau wie er.
    Er entfernte sich rückwärtsgehend aus dem Zimmer. Einen Moment lang stand Cherubina da wie von der Tür eingerahmt. Ihr Blick kam ihm geradezu gequält vor.
    Dann wurde die Tür geschlossen. Mark ging einen dunklen Flur entlang, und alles war, wie es immer gewesen war.
     
    Er blieb nicht stehen, als er zur Haustür hinausging, und spürte, wie Snutworth, während sie durch die Straßen liefen, in seinen Schritt einfiel.
    »Wie lautet dein Bericht?«, fragte Mark und zog den Mantel im kalten Wind enger um sich.
    »Nicht so schlecht wie befürchtet, Sir«, sagte Snutworth. Sein Tonfall war ehrfürchtig wie immer.
    Mark blickte ihn verstohlen an. Auch wenn er inzwischen fast genauso groß war wie sein Diener, musste er noch immer dagegen ankämpfen, zu ihm aufzusehen. Es spielte überhaupt keine Rolle, was im Vertrag stand; er verließ sich darauf, dass Snutworth mehr war als ein gut organisierter Assistent. Er suchte nach etwas anderem hinter dieser konzentriert gerunzelten Stirn, die auf die Unterlagen in Snutworths Hand gerichtet war, er lauschte auf die geringste Veränderung im Rhythmus, mit dem Snutworth seinen Stock mit dem Silberknauf, seine einzige Extravaganz, aufs Pflaster aufsetzte.
    Aber da war nichts, kein Unterschied. Snutworth war Snutworth, so wie eh und je, der Snutworth, der unsichtbar und hauptsächlich für ihn arbeitete.
    »Läuft das Schmuckgeschäft gut?«, fragte Mark.
    »Das Große Fest ist dafür immer eine gute Zeit. Von dieser Seite kann ich nur Positives berichten. Auch die Fischerei hat einen Aufschwung erlebt …«
    Mark nahm aus dem Augenwinkel ein mitternachtsblaues Flimmern wahr und blendete Snutworths Stimme in den Hintergrund. Es war nichts Besonderes, Eintreiber zu sehen, die die sich dahinschiebende Menschenmassen zum Weitergehen aufforderten, aber in letzter Zeit schienen ihm die Uniformierten immer öfter aufzufallen. Seit er bei dieser Gerichtsverhandlung gewesen war und Lily wiedergesehen hatte. Vielleicht war es das Wissen darum, dass einer dieser Männer unterwegs gewesen war, um ihn umzubringen. Ja, dachte er, das musste es sein.
    Es hatte nichts mit den abgerissenen Gestalten zu tun, die sie wegkarrten.
    Mark schüttelte sich und warf einen Blick auf einige Dokumente, die Snutworth ihm reichte. Diesen Abschnitt seines Lebens hatte er hinter sich gelassen, und nicht einmal Lily würde ihn dazu bringen, sich wieder daran zu erinnern. Er lächelte die frisch besiegelten Verträge vor sich an. Wenn jemand wissen wollte, was er wert war, brauchte er sich bloß das anzusehen. Das war Macht.
    Trotzdem erschauerte er, als eine weitere Eintreiber-Streife an ihm vorüberzog. Am liebsten hätte er Snutworth an seinen Gedanken teilhaben lassen, aber er wusste zu gut, dass sein Diener die Unterhaltung umgehend wieder aufs Geschäft lenken

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