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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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zuckte förmlich zurück und schüttelte dann den Kopf. »Guten Tag, Miss Lilith« sagte er, drängte sich an ihr vorbei.
    Sie hielt ihn am Ärmel seiner Robe fest. »Was könnte so Schreckliches darin stehen, dass es Menschen in den Wahnsinn treibt?«, fauchte sie.
    Lord Ruthven erstarrte und bedachte sie mit einem eigenartigen, fast ängstlichen Blick. Dann löste er sehr bedächtig ihre Finger von seiner Robe und zog seine Hand sogleich wieder zurück, als bereitete ihm diese Berührung körperliche Schmerzen.
    »Denken Sie über Ihre eigene Frage nach, Miss Lilith. Es gibt Dinge, die zu wissen ein wahrer Fluch ist, und es gibt Geheimnisse, die bewahrt werden müssen. Sehen Sie sich bloß an, was dieses Wissen aus dem Sergeanten gemacht hatte.« Ruthven blickte ihr in die Augen, und wieder empfand Lily diese seltsame Mischung aus Angst und eiserner Entschlossenheit. »Ich warne Sie nicht noch einmal, Miss Lilith«, fuhr er fort. »Auch wenn Sie sonst nichts glauben, glauben Sie mir, wenn ich Ihnen eines sage: Ich beschütze Sie. Eines Tages, wenn es nicht mehr darauf ankommt, finden Sie vielleicht die Antworten, die sie suchen. Wenn Sie dann erkennen, was hätte passieren können, wenn Sie ermessen können, was aus Ihnen hätte werden können, dann werden Sie auf den heutigen Tag zurückblicken und mir dafür dankbar sein, dass ich Ihnen das alles erspart habe.«
    Ohne ein weiteres Wort entfernte er sich eilig. Lily hatte den seltsamen Eindruck, dass er wahrscheinlich sogar gerannt wäre, wenn er damit nicht seiner Würde geschadet hätte.
    Lily blickte sich um. Der Gerichtssaal war jetzt fast leer. Benedikta stand am Ausgang und winkte ihr zu. Ein bisschen von ihrer Lebensfreude war bereits zurückgekehrt, und Lily konnte nicht anders, als zurückzuwinken. Für alle war die Zeit gekommen, wieder ihre Alltagsmasken aufzusetzen.
    Dann sah sie noch jemanden, mit dem sie unbedingt sprechen wollte. Sie erwischte ihn gerade noch, ehe er sich aus dem Gebäude verdrücken konnte.
    »Mark!«, rief sie.
    Er drehte sich mit gehetztem Blick um und trottete zu ihr zurück. »Danke, dass du nichts gesagt hast«, murmelte er. »Über mich, meine ich.«
    »Es kam mir nicht mehr wichtig vor«, erwiderte Lily, die sich nicht recht wohl in ihrer Haut fühlte. Sie wusste immer noch nicht genau, was sie von Mark halten sollte. In gewisser Hinsicht hatte er recht gehabt. Er trug nicht die Verantwortung dafür. Trotzdem hatte er sie … hintergangen. Und er war auch der Grund, weshalb das Almosenhaus geschlossen worden war.
    »Trotzdem, danke«, beharrte Mark und versuchte dabei schroff zu klingen. »Du hättest mir nicht helfen müssen.«
    »Nein, hätte ich nicht.« Lily sah ihn neugierig an. »Aber jeder verdient eine zweite Chance.«
    Mark nickte. Seine Augen zuckten in Richtung Ausgang. Lily fragte sich, ob er ihrer Rede überhaupt zugehört hatte. Sie hatte fast das Gefühl gehabt, ihn direkt anzusprechen. Sie wusste, dass sie ihm, wenn er sich entschuldigte, sofort vergeben würde. Aber jetzt war dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Sie musste ihm etwas erzählen.
    »Sei vorsichtig, Mark«, sagte sie leise und eindringlich. »Pauldron war nicht nur hinter mir her, sondern auch hinter dir.«
    Mark fuhr erschrocken zusammen. »Hinter mir? Aber … hast du nicht … Ich meine … Ich habe doch überhaupt nichts mit dem Almosenhaus zu tun …«
    »Es ging nicht allein darum.« Lily warf einen Blick nach hinten, um zu sehen, ob irgendwelche Eintreiber in der Nähe waren. »Es dreht sich um den Waage-Bund. Die haben dort dieses Schriftstück … Pauldron war davon überzeugt, dass es etwas mit uns zu tun hat.« Lily wedelte mit den Händen. Eigentlich hatte sie selbst nur das wenigste davon verstanden. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, sie hätte die wenigen verkohlten Bruchstücke des Statuts behalten können. Sie nahm Mark am Arm und sah ihm in die Augen. »Pass einfach auf dich auf, ja? Hinter dieser Geschichte steckt viel mehr. Dagegen sind unsere Unstimmigkeiten lächerlich.« Sie beugte sich näher zu ihm. »Falls ich mehr in Erfahrung bringe, lasse ich es dich wissen. Hältst du ebenfalls die Augen offen?«
    Lily sah Angst und Unentschlossenheit in Marks Gesicht. Doch dann nickte er.
    »So ganz schlau werde ich noch nicht daraus«, sagte er leise, »aber ich will es versuchen.«
    Mark ging davon, blieb jedoch noch einmal beim Ausgang stehen. Lily hörte Benedikta hinter sich rufen. Jetzt, da das Almosenhaus wieder

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