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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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willst, dass dein Bruder gar nicht so ist, wenn man ihn erst einmal besser kennen lernt …«
    »Aber nein«, erwiderte Gloria mit einem Lächeln, »wenn man ihn besser kennt, ist er sogar noch schlimmer.« Ihr Lächeln erstarb. »Was jedoch nicht heißt, dass er nicht sein Bestes gibt. Es heißt nicht, dass wir nicht an diese Idee glauben.«
    Benedikta nickte und legte eine Hand auf Lilys Arm. »Es ist nun mal so, Lily – du brauchst Förderer, und Laud weiß, wie man sie an Land zieht …«
    Lily löste sich von ihrer Hand. »Ich glaube nicht, dass ich solche Förderer haben möchte«, sagte sie steif. »Hier geht es nicht darum, ›Tugend zu verkaufen‹, es geht um Barmherzigkeit. Das haben sogar die Eintreiber verstanden.«
    Gloria sah sie mit einer Mischung aus Lächeln und erschrockenem Zusammenzucken an. »Ja, schon, Miss Lily … Aber die wollen wahrscheinlich nicht, dass es ein Erfolg wird.«
    Es entstand eine unangenehme Pause, dann drehte sich Lily um und ging davon.
    Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie Gloria und Benedikte sich an den alten Weihrauchkesseln aus Messing zu schaffen machten, aber der interessierte sie jetzt weniger. Ihr Inneres war geballt wie eine Faust. Nach allem, was sie getan hatte, um dieses Almosenhaus auf den Weg zu bringen, würde sie nicht zulassen, dass es von einem wichtigtuerischen Marktschreier ruiniert wurde. Fest entschlossen, mit Laud außer Hörweite seiner Schwestern zu sprechen, machte sie sich daran, die Stufen zum Dach hinaufzusteigen.
    Lily fand ihn über die Backsteinbrüstung der Dachterrasse gebeugt. Die Terrasse sah nicht besonders eindrucksvoll aus: Letztendlich waren es nur ein paar Quadratmeter von Mauern eingezwängter Dachfläche, die fast völlig von trocknenden Kräutern bedeckt war. Lily suchte sich einen Pfad hindurch, bis sie nicht weit von Laud entfernt stehen blieb.
    »Keine gute Aussicht«, sagte Laud, ohne sich umzudrehen. »Ich dachte mir, dass vielleicht ein Holzschnitt des Gebäudes … Vielleicht wäre es das Beste, wenn die Förderer überhaupt nicht hierherkommen.«
    »Wollen die denn nicht sehen, wem sie da eigentlich helfen?«, sagte Lily gereizt.
    »Sehen vielleicht. Aber riechen bestimmt nicht. Die Reichen sind da zimperlich. Das Almosenhaus muss ihrer eigenen Vorstellung erwachsen.«
    »Ich dachte, Sie wären so gut darin, Dinge anzupreisen«, sagte sie gehässig.
    »Nur wenn ich arbeite, Miss Lily«, entgegnete Mr Laudate und drehte sich um. »Würden Sie es vorziehen, wenn ich Sie als Käufer behandle statt als Besitzer? Ich weiß von Ben, dass Sie Ehrlichkeit schätzen.«
    »Lügen Sie alle Käufer an?«, fragte Lily und sah ihn fest an.
    Lauds Blick war eindringlich, aber nicht feindselig. »Es hilft«, gab er zu. »Da sie sich selbst so oft belügen, kommt die Wahrheit nicht gut an.«
    »Hier geht es um die Wahrheit, Mr Laudate«, erwiderte Lily eisig. »Diese ganze Einrichtung ist dazu da, sich der Wahrheit zu stellen.«
    Laud schien kurz darüber nachzudenken, ohne ihrem Blick auszuweichen. Seine nächsten Worte überraschten sie. »Wie alt sind Sie, Miss Lilith?«
    »Ich habe dreizehn Sommer gesehen«, antwortete Lily vorsichtig.
    »Ein bisschen zu alt schon, um an Ideen wie die absolute Wahrheit zu glauben, meinen Sie nicht?«, sagte Laud. Seine Stimme klang eigenartig angestrengt. »Die Leute wollen mit derart beunruhigenden Dingen nichts zu tun haben. Dennoch, wenn ich Ihren Ansprüchen nicht genüge, wenn ich nicht mit Ihrem Spielzeug spielen darf …«
    Lily schluckte ihre Antwort hinunter. Sie war fest entschlossen, nicht nach dem Köder zu schnappen. Es wäre zu einfach, ihn rauszuwerfen – sie hatte die Macht dazu, sie war es, die ihn einstellte, ob nun mit oder ohne Bezahlung. Aber damit würde sie sich zu dem kleinen Mädchen machen, das er offensichtlich in ihr sah, und sie ließ sich nicht so einfach ins Bockshorn jagen. Stattdessen hob sie eine Augenbraue.
    »Wie alt sind Sie, Mr Laudate?«, fragte sie.
    Laud zuckte die Achseln. »Siebzehn.«
    »Ein bisschen jung, um schon so verbittert zu sein, meinen Sie nicht?«, fragte Lily.
    Eine lange Pause entstand. Etwas in Lauds Augen schien sich schmerzvoll zu verdunkeln, als hätte Lily einen wunden Punkt getroffen. Dann lachte er plötzlich laut und bellend.
    »Na schön, Miss Lily, versuchen wir es auf Ihre Art«, sagte er mit einem letzten Rest von Belustigung im Gesicht. »Vielleicht ist die Wahrheit ja dabei, im Preis zu steigen.«
    Er streckte die Hand aus. Lily

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