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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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sah einen Augenblick lang darauf, entspannte sich dann und schüttelte sie kräftig. Laud schien sich darüber zu freuen.
    »Übrigens«, sagte er in freundlicherem Ton, »glaube ich nicht, dass ich groß die Wahl gehabt hätte, hier wieder auszusteigen. Wenn Benedikta sich etwas in den Kopf gesetzt hat …« Er schüttelte liebevoll den Kopf. »Sie hat großes Vertrauen zu Ihnen.«
    »Ich werde sie nicht enttäuschen«, sagte Lily entschlossen.
    Während sie sich gegenüberstanden, bemerkte Lily einen neuen Geruch in der Luft. Einen satten, kräftigen Duft, viel stärker als der leise Hauch, der ihr aufgefallen war, als sie den Tempel zum ersten Mal betreten hatte. Laud nickte. Sein Gesicht wurde wieder geschäftsmäßig.
    »Sieht ganz so aus, als hätten meine Schwestern den Weihrauch zum Brennen gebracht«, sagte er und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Vielleicht«, überlegte er, »erregen wir ein wenig mehr Aufmerksamkeit, wenn wir eins der Weihrauchgefäße vor die Tür hängen? Ja, damit könnten wir klar und deutlich anzeigen, dass Sie hier angekommen sind …«
    Aber Lily hörte kaum hin. Sie sah der kleinen Rauchfahne nach, die sich mit immer stärker werdendem Duft die Treppe heraufkringelte und hinaus in die Stadt schwebte. Und obwohl sie Laud nur mit einem knappen Nicken antwortete, spürte Lily, dass ihr Herz in der Brust einen Freudensprung machte.
    Der Anfang war getan.

 
Zweites Zwischenspiel
     
    Der Stift fährt kratzend über das Papier. Die Hand, die ihn hält, ist trocken und welk, aber sie zaudert nicht.
    »Dann hat sich unser Verdacht also bewahrheitet, Miss Rita. Der Aufstieg der beiden hat begonnen.«
    »Ja, Sir.«
    Ihre Hände sind dunkel, ihre Nägel lackiert, aber abgebrochen. Sie bohren sich in das Bündel Papiere, das sie gegen ihre Brust drückt.
    »Sie strömen bereits zu ihnen«, sagt er. »Sowohl die Mächtigen der Gesellschaft als auch die, die zurückgelassen wurden.«
    Die Feder wird in das Tintenfach getaucht, kein Tropfen geht daneben. Die alten Hände ziehen einen weiteren Bogen Papier hervor.
    »Ich habe nachgedacht, Miss Rita. Über das Thema ›Schicksal‹.«
    Miss Ritas Hände auf dem Papier werden starr. »Schicksal, Sir?«
    »Unsere Schicksale sind an die Waagschalen des Lebens gebunden, Miss Rita. Ein einziges Sandkorn kann das Gleichgewicht zu unseren Gunsten oder unseren Ungunsten kippen.« Der Direktor hält inne, drückt einen metallenen Siegelring in einen Klecks dunkelroten Wachses. »Ein Sandkorn, ein Gedanke oder eine Tat kann uns erheben oder in die Tiefe reißen.« Der Direktor legt das letzte Dokument zur Seite und dann die Fingerspitzen aneinander. »Doch manchmal vergessen wir gern, dass es dann nur zweier Sandkörner auf der anderen Seite bedarf, um unsere Welt völlig auf den Kopf zu stellen.«
    Miss Rita nimmt das letzte Dokument vom Schreibtisch und dreht sich langsam um.
    »Es soll ihnen nichts geschehen, Miss Rita.«
    Die Sekretärin erstarrt. »Aber sie werden in Gefahr geraten?«
    »Sollte es eine Welt ohne Gefahren geben, Miss Rita, dann liegt sie außerhalb dessen, was wir kennen. Aber ja doch, sie sind größerer Gefahr ausgesetzt als die meisten anderen. Besonders von Seiten derer, die glauben, dass sie die beiden sind, die das Mitternachts-Statut vorausgesagt hat.«
    Miss Ritas Hände ballen sich so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. »Sind sie es denn, Sir?«
    »Ich bin mir sicher. Wir haben uns einmal geirrt, doch nun rückt der letzte Tag näher, und es scheint … durchaus passend, dass es offenbar Kinder sind. Zum Wohle des großen Waage-Projekts müssen sie ihre Aufgabe erfüllen. Sie müssen genau beobachtet, dürfen aber nicht beeinflusst werden. Erst dann, wenn der rechte Augenblick gekommen ist. So verlangt es das Statut.«
    »Aber hat das Statut recht?«, flüstert die Sekretärin.
    Stille.
    »Das Statut, Miss Rita, hat immer recht. Per definitionem.«
    »Ja. Danke, Sir.«
    Das Klappern von Miss Ritas Schuhen wird in der Ferne schwächer. Die Tür am anderen Ende des Raums schließt sich.
    Es dauert eine Weile, bis der Direktor seine Feder wieder aufnimmt. Als er sie diesmal aufsetzt, spritzt ein wenig Tinte aufs Papier. Als hätten sich seine Finger plötzlich verkrampft.
     

 
KAPITEL 13
     
Der Tanz
     
    »Mr Mark, Sie sehen beeindruckend aus!«
    Mark war sich da nicht ganz so sicher. Sein neuer Frack war ihm vor Monaten auf den Leib geschneidert worden, und schon jetzt war er zu kurz, ganz abgesehen davon, dass

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