Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
Vom Netzwerk:
gierig seine Portion.
    »Weißt du«, sagte er kauend, »bis du aufgetaucht bist, war das hier eine ziemlich nervige Feier. Ich hätte dich schon früher einladen sollen, aber deine Briefe waren immer so voll von deinem ›großen Vorhaben‹, da dachte ich, dass solche Feiern bestimmt nichts für dich sind.«
    »Sind sie eigentlich auch nicht«, erwiderte Lily nachdenklich. »Aber ich bin froh, dass ich hierhergekommen bin. Du hast mir sehr gefehlt.«
    »Ja … also …«, stammelte Mark. Er schaute zum Nebentisch, auf dem sie Theos alte Maske und Brille abgelegt hatte. Er streckte sich, nahm sie in die Hand und warf einen Blick auf das leere Gesicht. »Sollte das ein Scherz sein?«, fragte er leise.
    Lily schüttelte den Kopf. »Nein … Tut mir leid. Ich wollte sie abnehmen, bevor ich dir damit begegne, aber der Pförtner hat mich nicht ohne Maske reingelassen, und eine andere hatte ich nicht. Tut mir leid, wenn sie schlimme Erinnerungen geweckt hat.«
    Lily sah, wie es kaum merklich in Marks Gesicht zuckte.
    »Nicht mehr Erinnerungen als sonst. Es ist dumm. Ich weiß ja, dass der Doktor mir nie etwas zuleide tun wollte, aber … sie erinnert mich an meinen Vater. An das, was er getan hat.« Dann hellte sich Marks Miene wieder auf, und er schob seinen Teller beiseite. »Lass uns nicht davon reden. Du musst mir unbedingt von deinem Haus erzählen.« Er grinste. »Ich habe mir überlegt mitzumachen, als Förderer. Snutworth ist nicht begeistert davon, aber für mich hört es sich nach einer ausgezeichneten Idee an …«
    »Findest du?« Lily dachte wieder an die langen Schlangen zerlumpter Menschen, die sich Tag und Nacht vor dem Almosenhaus bildeten, beugte sich vor und fragte Mark voller Ernst: »Glaubst du wirklich, dass das, was wir tun ist, richtig ist?«
    »Es ist grandios!«, sagte Mark und fuchtelte aufgeregt mit den Armen. »Ich meine, es ist die perfekte Marktlücke! Gerade so, als würde man Glück, Zufriedenheit und Selbstgefälligkeit als Paket verkaufen. Nicht einmal die besten Gefühlsdestillateure können so etwas herstellen.« Er stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Ehrlich, Signor und Signora Sozinho können nicht genug davon kriegen.«
    »Sie sind gute Menschen«, entgegnete Lily langsam und ein wenig enttäuscht, weil Mark nicht zu verstehen schien. »Sie wissen, dass es nicht nur um die Wirkung geht, die es auf sie als Förderer hat. Ich wünschte, andere Förderer würden es genauso sehen und ab und zu bei uns vorbeikommen und sich ansehen, was wir dort an Gutem tun.« Lily seufzte vor Enttäuschung. »Sogar die, denen wir geholfen haben, haben zuerst kaum verstanden, was wir da überhaupt machen. Wir mussten sie davon überzeugen, dass es keine Schande ist, Almosen anzunehmen. Einige von ihnen wären lieber verhungert, als zuzugeben, dass sie in großen Schwierigkeiten steckten.«
    Mark öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber die Stimme, die Lily hörte, war nicht seine. Es war eine tiefere, ältere Stimme, und sie sprach im Ton gelassener Überlegenheit.
    »Sogar Schuldner haben ihren Stolz, Miss Lilith.«
    Lily fuhr herum. Am anderen Ende des Tisches, dort, wo zuvor nur eine Reihe leerer Stühle gestanden hatte, saß ein vornehm aussehender älterer Mann. Er hatte seine Maske, auf der die Sonne kurz vor einer Finsternis abgebildet war, auf den Tisch gelegt und musterte Lily mit abschätzigem Blick.
    Trotz seiner lässigen Haltung verriet ihr etwas in den Falten um seinen Mund, dass es sich um einen Mann handeln musste, der es gewohnt war, dass man ihm Respekt entgegenbrachte. Lily zuckte verunsichert zusammen.
    Mark sprang hastig auf und verneigte sich. »Lord Ruthven, ich habe Sie nicht absichtlich übersehen …«
    Lord Ruthven schüttelte den Kopf und lächelte, obgleich Lily wenig Wärme in dem Lächeln spürte.
    »Aber ich bitte Sie, Mr Mark. Ich wollte nicht, dass Ihre Debatte mit Miss Lilith von steifen Förmlichkeiten gestört wird. Ihre Unterhaltung war mit Sicherheit äußerst erhebend.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich für unsere Arbeit interessieren könnten, Mylord«, sagte Lily vorsichtig.
    Lord Ruthven strich sich nachdenklich übers Kinn. »Ganz im Gegenteil! Also oberster Herr der Eintreiber – eine der eher lästigen Pflichten eines Lordoberrichters – habe ich etliche Berichte über Ihr Projekt gelesen. Einer meiner Sergeanten hat sich besonders … unverblümt darüber geäußert.«
    Lord Ruthven wies mit der anderen Hand zum Ende des Zelts. Als Lily

Weitere Kostenlose Bücher