Die Stadt der verkauften Traeume
dem Ausschuss vor einem Monat beigetreten.«
Mark nickte. »Ein ziemlich gutes Geschäft obendrein. Ich habe ihnen geholfen, ihre Pläne zu rationalisieren, wie sie es nannten …« Mark hielt inne. »Geht’s dir nicht gut, Lily?«
Lily ging es tatsächlich nicht gut. Tief in sich spürte sie ein kaltes, klammes Gefühl. Vor einem Monat, damals waren sie alle eingetroffen. Alle diese ehemaligen Fischer, von ihren Vermietern aus ihren Häusern vertrieben. Sie erzählten Geschichten, wie ihr Fang auf den Werften verrottete. Fische, die keine Käufer fanden – dank der Pescator-Vereinigung.
Mit einem Mal schien die abendliche Hitze zuzunehmen. Das Zelt kam ihr heiß und stickig vor, das Essen auf ihrem Teller fettig und überladen. Ihre Gedanken fingen an zu verschwimmen, und sie stand vom Tisch auf, so plötzlich, dass ihr Stuhl umfiel. Dann drängte sie sich durch die Menge der Großen und Fast-Großen dieser Stadt und stürmte aus dem Zelt.
Lily ging mit schnellen Schritten, war sich aber dumpf bewusst, dass Mark hinter ihr herkam und sich bei ihr entschuldigte. Sie konnte noch immer nicht ganz glauben, was er gesagt hatte, aber ihr Entsetzen trieb sie zum anderen Ende der Gärten, wo sie vor einem großen marmornen Springbrunnen stehen blieb.
Kurz darauf trat Mark sichtlich besorgt zu ihr. Sie sah ihm nicht in die Augen, sondern starrte auf ihr Spiegelbild im sich kräuselnden Wasser. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er ihre in der Eile vergessene Maske auf den Brunnenrand legte, anschließend in seine Westentasche griff und ein vertrautes Glasfläschchen herauszog.
»Tut mir leid, wahrscheinlich ist die Feier zu viel für dich gewesen. Ich habe nicht daran gedacht … Ich bin schon daran gewöhnt. Hier«, sagte er und wollte ihr das Fläschchen in die Hände drücken. »Nimm einen Schluck destillierte Gelassenheit als Ausgleich dafür, dass du das halbe Fest verpasst hast.«
Lily zog blitzartig die Hände weg. Mark glitt das winzige Fläschchen aus der Hand, und es fiel in den Springbrunnen, wo sein blauer Inhalt sich mit dem Wasser vermischte.
»Lily!«, rief Mark ärgerlich. »Das war Gelassenheit allerbester Qualität! Und auch noch die letzte aus dem Sortiment. Ich musste einen kompletten verzierten Stuhl dafür hergeben …«
»Vor zwei Jahren hattest du noch nicht mal einen Stuhl gesehen«, unterbrach ihn Lily. Ihre Worte klangen hitzig und erregt. »Vor zwei Jahren hast du auf Kisten gesessen und gedacht, dass nur Märchenkönige Stühle besitzen. Nun verkaufst du sie, um Gefühle zu trinken, die aus anderen Leuten herausgesaugt wurden. Ist das dein Erfolg, Mark?«
»Die Leute verkaufen diese Gefühle, Lily, sie tun das ohne Zwang. Was ist los mit dir?«, fragte Mark und starrte sie ungläubig an. »Es tut mir leid, dass ich Ruthven nicht gesagt habe, dass ich darüber nachdenke, Förderer deines Almosenhauses zu werden. Du musst verstehen, dass einige dieser alten Männer in ihren Gewohnheiten sehr festgefahren sind. Du bist nur nicht daran gewöhnt, wie man in diesen Kreisen Dinge regelt. Und ich eigentlich auch nicht …«
»Ich werde mich auch nie daran gewöhnen«, fauchte Lily und stand auf. »Weißt du eigentlich, was du da tust, Mark? Weißt du nicht, dass deine Vereinigung das Leben anderer Leute zerstört?«
»Sei nicht dumm«, entgegnete Mark. »Ich habe viele Verbesserungen eingebracht. Ich verbessere alle Unternehmen, denen ich mich anschließe, und damit ist jedem geholfen. Warum kommst du nicht zurück zum Fest und entschuldigst dich bei Lord Ruthven dafür, dass du einfach so weggelaufen bist …« Mark hielt inne, als Lily seine Hand packte.
»Mark, hör auf damit. Heute ist ein Fischer in meinem Almosenhaus gestorben. Wenn irgendjemand seinen Fisch gekauft hätte, hätte er seine Krankheit behandeln lassen können, aber Theophilus konnte nichts mehr tun, als er zu uns kam.« Lilys Gesicht rückte näher an das seine heran. »Mark, er hatte die gleiche Krankheit wie du, als du in den Turm gekommen bist. Es ist nicht vorbei. Das hättest ebenso gut du sein können.«
»Also bin ich jetzt auch an den Krankheiten schuld?«, erwiderte Mark mit zitternder Stimme. »Tut mir leid, Lily, aber den Menschen passieren andauernd schlimme Dinge, die sie nicht verdient haben.« Er stieß ihre Hand weg. »Das solltest du eigentlich wissen«, fuhr er erbittert fort. »Ich weiß es. Ich war krank, genau wie dein Fischer. Ich wurde verkauft wie ein alter Lumpen. Ich habe gesehen, wie meine
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