Die Stadt der verkauften Traeume
Verträgen – unabhängig davon, für wie wertvoll man seine Waren hielt, brachten sie auf dem Markt doch stets nur so viel, wie ein anderer dafür zu geben bereit oder in der Lage war. Eben noch konnte ein Kaufmann ganz oben sein, und im nächsten Moment konnte ein einziger unzufriedener Kunde oder eine Trübung seines Rufes seine Waren in Ungnade fallen und auf einen Bruchteil ihres ehemaligen Tauschwerts sinken lassen. Bei dem Versuch, ihre Freunde vor derlei Missgeschick zu bewahren, bildeten die Wohlhabenden Gilden und Geschäftskonsortien, aber so mächtig diese auch waren, so wusste doch jeder, dass die Katastrophe schon morgen eintreten könnte.
An der Stelle kam Mark ins Spiel. Die Menschen wollten Sicherheit, sie wollten wissen, was ihnen die Zukunft bringen würde, und sie wollten nur mit denjenigen Handel treiben, denen das Glück lachte. Und wenn die Sterne auf diesen oder jenen Kunden deuteten, alles natürlich mit ein paar geheimnisvollen Worten verbrämt, dann waren sie für gewöhnlich sehr dankbar dafür. Es handelte sich um die Art von Dankbarkeit, die sich in klingender Münze auszahlte.
Zuerst hatte sich Mark auf Snutworth verlassen müssen. Der hatte vorgeschlagen, welchen seiner Kunden er unterstützen sollte, aber schon bald hatte Mark gelernt, das Netz der Verbindungen zu lesen, das die Stadt zusammenhielt. Es bestand kein großer Unterschied zu diesem Tanz: Man musste sich manchmal verneigen, an anderen vorübergehen und immer sorgfältig darauf achten, dass man niemandem, der einem schaden konnte, auf die Zehen trat. Anfangs hatte Mark sich ein wenig dafür geschämt, seinen Lebensunterhalt mit ausgeklügelten, mysteriösen Lügen zu verdienen. Er hatte nachts nicht schlafen können aus Angst davor, die Sterne könnten sich gegen ihn wenden, weil er ihre Prophezeiungen verdrehte und sie das sagen ließ, was ihm passte. Nachdem der große Schwindel jedoch immer nur von Erfolg gekrönt war, machte sich Mark immer weniger Gedanken über seinen Lebenswandel. Entweder hießen die Sterne das, was er tat, gut, oder sie waren letztendlich doch nicht mehr als bedeutungslose Lichtflecken am Himmel. Wie Snutworth es oft ausdrückte: Jedermann in Agora schlug sich damit durchs Leben, dass er mächtiger und wichtiger tat, als er eigentlich war. Jeder, der das nicht so machte, wurde in den Staub getreten, und Mark hatte nicht vor, das mit sich geschehen zu lassen. Er war der Gosse entkommen, und er würde nie wieder dorthin zurückkehren.
Beim Partnerwechsel sah Mark aus dem Augenwinkel, wie sich Snutworth lässig mit einem Vertreter der Gerbergilde unterhielt. Mark lächelte. Morgen würde er erfahren, dass sämtliche Arrangements getroffen waren und dass ein wenig von seinem übermäßigen Reichtum gegen einen Sitz im Beirat der Gerbergilde getauscht worden war. Eine weitere einflussreiche Position, eine weitere Gruppe von Handelsleuten, die fortan auf ihn hören würden. Er war jetzt noch nicht einmal ein Jahr im Geschäft, und schon hätte er selbst nicht mehr alle seine geschäftlichen Tätigkeiten überblicken können. Snutworth hatte sich bereits tausend Mal als unbezahlbar erwiesen, hatte sich unermüdlich für Marks Erfolg eingesetzt.
Selbstverständlich taten die älteren Kaufleute immer so, als sei Mark für ihre Gilden nicht mehr als ein amüsantes Maskottchen, ein helles Strohfeuer, das schon bald wieder erloschen sein würde. Niemand gab gern zu, wie weit es dieser Dreizehnjährige aus den Elendsvierteln gebracht hatte oder wie viel Macht er schon jetzt in Händen hielt. Aber Mark wusste es besser.
Dann fiel sein Blick auf den Möbelmacher, einen der besten, der den Turm in all seiner neuen Pracht ausgestattet hatte und besonders erfreut war zu helfen, nachdem Mark sein Geschäft übernommen hatte. Um ihn herum erkannte er unter den sich wiegenden Tänzern die Insignien der Kaufleute, die mit Fleisch handelten, mit Fisch oder mit Gold und Juwelen. Die Hälfte von ihnen war bereits in seine eigenen Geschäfte verwickelt, die andere Hälfte wartete darauf, ihn heute Abend unter Vertrag zu nehmen. Was machte es schon, wenn ihn die halbe Stadt als ihren Affen ansah? Wie viele Affen konnten sich ein so prunkvolles Fest leisten?
Er schob sich zwischen den Tanzenden hindurch, schlängelte sich durch Reichtum jeder Art, berührte ihre vor Gold glitzernden Mantelsäume.
Er kam am Orchester vorbei und nickte Laud zu, der daraufhin dem Dirigenten ein Zeichen gab. Schlagartig änderte sich die
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