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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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beigebracht und dem dabei vor Staunen immer wieder der Mund offen gestanden hatte.
    »Sollen wir woandershin gehen?«, fragte sie, sah sich unter den Tanzenden um und hielt mitten in der Drehung inne. »Ich glaube, deine Gäste starren uns an.«
    Mark schien einen Augenblick völlig verwirrt zu sein. Dann aber, als sei nichts geschehen, verneigte er sich und bot ihr seinen Arm, wie sie es bei den anderen Herren gesehen hatte.
    »Komm, ich zeige dir die Gärten«, sagte er und fügte dann mit einem ironischen Grinsen hinzu: »Möchte die Lady vielleicht meinen Arm nehmen?«
    »Vielen Dank, aber ich kann schon selbst laufen«, entgegnete Lily und schob seinen Arm im Spaß zur Seite.
    Sie ging ihm in Richtung der Gärten voran. Eigentlich hatte sie noch schneller ausschreiten wollen, aber das schwere schwarze Kleid – eins von Signora Sozinhos abgelegten -machte es ihr unmöglich, sich frei zu bewegen. Sie hörte, wie Mark sich beeilte, mit ihr Schritt zu halten, und ging langsamer. Der heutige Abend sollte eine Verschnaufpause sein, die Gelegenheit, einen alten Freund wiederzusehen, aber es fiel ihr immer schwerer, ihr tägliches Leben aus ihren Gedanken zu verbannen. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie diesen oder jenen Gegenstand betrachtete und sich fragte, wie viele Schuldner er wohl im Tausch ernähren würde.
    »Ach komm!«, meinte Mark schnaufend, als er sie einholte. »War doch nur ein Scherz. Weißt du noch?«
    Lily schüttelte den Kopf und rang sich ein Lächeln ab. »Tut mir leid, Mark. In letzter Zeit höre ich nicht mehr so viele Scherze.«
    Mark spielte verlegen mit der Goldschnur an seinem Jackett. »Ja, den Eindruck hatte ich nach deinen Briefen auch«, sagte er und fügte sogleich hinzu: »Ich wollte öfter zurückschreiben, ehrlich, aber die vielen Besprechungen und Geschäftsessen, diese endlosen Feierlichkeiten …«
    »Hört sich nach einem harten Leben an«, murmelte Lily mit einem Anflug von Gehässigkeit.
    Mark verstummte kleinlaut, und Lily musste lächeln.
    »Übrigens«, fuhr sie mit einem Hauch von Übermut fort, »da du dich damit offensichtlich so gut auskennst: Was meinst du, werde ich rausgeworfen, wenn ich versuche, ein paar Kanapees für später zu stibitzen?«
    Marks Gesicht nahm einen Ausdruck gespielter Wut an. »Das würde den Gastgeber mit Sicherheit schwer beleidigen«, sagte er.
    Lily hob eine Braue. »Bist nicht du der Gastgeber?«
    »Genau. Es ist eine Beleidigung, auch nur daran zu denken, dass du sie stibitzen müsstest. Ich hole dir welche aus dem Zelt.«
    Diesmal war Lilys Lächeln echt. »Musst du dich nicht um deine anderen Gäste kümmern?«, fragte sie.
    Mark zuckte geringschätzig mit den Schultern. »Keiner von denen interessiert sich für mich. Die meisten sind nur gekommen, um gesehen zu werden. Snutworth gibt mir Bescheid, wenn irgendjemand Wichtiges sich mit mir unterhalten möchte.«
    »Snutworth …« grübelte Lily. Sie konnte sich erinnern, dass Laud einmal von Marks Diener gesprochen hatte. Das Wort, das er damals gebraucht hatte, war »aalglatt« gewesen.
    »Aber wen interessiert das schon?«, riss Mark sie aus ihren Gedanken. »Ich freue mich riesig, dich zu sehen! Möchtest du wieder tanzen gehen?«
    Lily schüttelte energisch den Kopf. »Ich würde alles falsch machen«, wehrte sie ab, doch Mark hatte bereits ihre Hand ergriffen.
    »Darum geht’s mir ja gerade. Es ist die Rache dafür, dass du am Anfang alles besser konntest als ich.«
    Lily zog ihre Hand zurück, und dachte einen Augenblick darüber nach. Dann lächelte sie. Es gab kaum eine Herausforderung, der sie widerstehen konnte.
     
    Der Abend schritt voran, die Sommersonne verschwand hinter dem Horizont, und noch immer ging das Fest weiter. Obwohl sie wusste, dass sie im Almosenhaus gebraucht wurde, dass sie Benedikta ohne Hilfe zurückgelassen hatte, konnte Lily sich nicht dazu durchringen, sich zu verabschieden. Das lag zum Teil an der Freude, Mark wiederzusehen – als so erfolgreichen und selbstsicheren jungen Mann. Es war gut, einen Freund jenseits der Arbeit und ihrer selbstgestellten Aufgabe zu haben. Sie musste sich aber auch eingestehen, dass es durchaus seinen eigenen Zauber besaß, einen Abend lang völlig losgelöst von jeglicher Verantwortung zu sein.
    Schließlich saß Lily mit Mark an einem der langen Tische, die im Hauptzelt aufgestellt worden waren, vor sich einen Teller mit Fleisch und Salat, so viel, dass es ihr fast dekadent vorkam. Neben ihr verschlang Mark

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