Die Stadt der verkauften Traeume
sechs Händen umgebenen aufgehenden Sonne ihrer Mutter ins Wachs. Nun war alles unterzeichnet und besiegelt, und Mark hatte dabei nicht einmal einen Finger rühren müssen.
Als er sich verabschiedete, küsste er wieder Cherubinas Hand und verbeugte sich benommen vor der Oberin.
Nachdem er den Raum verlassen hatte, rammte er den Siegelring so fest auf seinen Finger, dass es wehtat. Das war es also gewesen. Er hatte jahrelang von seiner Zukunft geträumt, und nun war das seine amtlich verbriefte Zukunft.
Blieb nur zu hoffen, dass Oberin Angelinas Geschäft auch weiterhin das beste blieb.
Während er durch die Korridore wanderte, wuchs eine brennende Unzufriedenheit in ihm. Als sich die Tür öffnete und seine Kutsche nirgendwo zu sehen war, fing es in ihm an zu brodeln.
Er streifte durch die Straßen, ohne sich so recht bewusst zu sein, dass seine feine Kniehose von den Vorübergehenden mit Schlamm bespritzt wurde. Die spätnachmittägliche Sonne brannte auf ihn herab. Der Mantel war zu warm und zu unbequem, und jeder zweite Gedanke kreiste um das Puppenhaus, das immer bedrohlicher vor ihm aufragte und sein Leben immer weiter schrumpfen ließ, bis es hineinpasste.
Er versuchte, die Massen auf dem großen Marktplatz zu umgehen, indem er sich durch den Stier-Bezirk schob, aber dort wanden sich die Straßen so umeinander, dass sie viel zu gut zu seinen kreisenden, verworrenen Gedanken passten. Als die wohlbekannten Türme des Zwillinge-Bezirks vor ihm auftauchten, die sich prachtvoll in den Himmel schraubten, berührte die Sonne bereits den Horizont. Der Abend kam ihm sogar noch heißer vor als der Tag.
Krachend fiel die Tür des Turms ins Schloss.
Eilig hasteten mehrere Diener herbei, um ihm Mantel und Hut abzunehmen. Mark hatte nie verstanden, wie der Graf mit nur einem Dienstmädchen ausgekommen war, aber jetzt war er nicht erfreut darüber, sie zu sehen und streifte wortlos den Mantel von den Schultern. Er stürmte die Treppe empor, warf sich auf einen Stuhl im Observatorium, das inzwischen eher einem Büro glich. Er läutete die Glocke.
Das Schlimmste daran war, dass der Tag genau so verlaufen war wie geplant. Eigentlich hätte er sich freuen sollen.
Er starrte auf seinen Siegelring. Ein kleines Stückchen des unheilvollen Wachses hing noch immer daran. Warm und leicht klebrig, wie die Berührung von Cherubinas Fingern.
Er läutete erneut.
»Snutworth! Laud! Wo steckt ihr denn?«, rief er. Er hörte Schritte auf der Treppe, dann ein nervöses Klopfen an der unteren Tür. »Herein«, rief er.
Die Tür knarrte, und eilige Schritte kamen die Metalltreppe herauf.
»Was machst du denn hier, Gloria?«, fauchte Mark gereizt.
Gloria fuhr sich mit einer Hand durch die Locken. Sie wirkte noch nervöser als sonst, falls das überhaupt möglich war – als hätte sie etwas völlig verstört.
»Laud hat mich gebeten zu bleiben, bis Sie zurückkommen«, sagte sie. Ihr Blick wanderte unruhig durch den Raum. »Er musste andere Kunden besuchen.«
»Tatsächlich?« Mark spürte seine Wut erneut aufwallen. »Wichtige Kunden?«
»Ich denke schon …«, sagte Gloria zögernd. Ihr Blick blieb an einem Holzkästchen auf dem Tisch neben Mark hängen.
»Dann ist es ja gut«, blaffte Mark. »Ich werde nämlich nur höchst ungern wegen irgendjemand Unwichtigem versetzt.«
»Mr Mark, Laud ist nicht Ihr Diener …«, begann Gloria leise, aber Mark ließ sie nicht ausreden.
»Natürlich nicht. Seine Loyalität hängt von meiner Bezahlung ab. Immer streng nach Vertrag, stimmt’s?« Mark spürte, wie ihm die Hitze zu Kopf stieg. »Mein Leben, das Leben aller anderen, alles streng nach Marktwert gekauft und wieder verkauft, oder nicht?« Er lehnte sich zurück. Sie war ihm bereits zuwider. »Jedenfalls kein Grund, hier herumzuhängen, wenn Ihre Dienste nicht benötigt werden, Gloria. Sie finden ja allein hinaus.«
Gloria nickte, blieb aber stehen. Ihre Aufmerksamkeit war immer noch von dem Kästchen gefesselt. Mark starrte sie an und wartete.
»Mr Mark«, sagte Gloria schließlich, »ob ich wohl, bevor ich gehe, also …«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass in Ihrem Vertrag kleine Vergünstigungen erwähnt wären, Gloria«, sagte Mark finster. Er wusste genau, was sie wollte, denn in dem Kästchen bewahrte er seine regelmäßigen Lieferungen von Miss Devine auf.
»Das stimmt, Sir, wir haben uns darauf geeinigt, dass nichts davon im Vertrag steht. Laud hätte es nicht gefallen, wenn er es gesehen hätte, aber … wir
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