Die Stadt der verkauften Traeume
sogar ein winziges Feuer brannte.
Geschickt schnitt sie der Puppe die braunen Locken ab und steckte ihr Marks blondes Haar in den Kragen, wobei sie flüsterte, sie würde es später richtig ankleben. Dann setzte sie die Puppe mit äußerster Sorgfalt neben eine andere in ein Zimmer im ersten Stock des Puppenhauses.
Eine Puppe mit goldenen Löckchen, die an einem Teetisch mit noch kleineren Puppen saß. In der Ecke stand sogar ein kleines Puppenhaus.
Gruselig, entschied Mark. Eindeutig gruselig.
»Können Sie nicht auch in die Zukunft blicken, die vor uns liegt …?«, fragte Cherubina verträumt.
Mark versuchte zu sprechen, bekam aber keinen Ton heraus. Sein Hals schien sich vor Entsetzen zusammenzuziehen.
Sie sah ihn fragend an.
»Sie sind jünger, als ich gedacht habe, aber das macht mir nichts aus. Um genau zu sein, wenn Sie die Wahrheit wissen möchten …« Sie rückte vertraulich näher. »… Ich bin wirklich froh. Einige dieser anderen, die Mami eingeladen hat … uäh!« Sie rümpfte die Nase. »Die waren alt genug, um mein Vater sein zu können.« Sie wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger, und ein merkwürdig trauriger Ton schlich sich in ihre Stimme. »Ich kann beim Geschäft nicht helfen, wissen Sie. Ich habe mich an meinem Eigentag wieder an Mami verkauft, aber ich bin ihr nicht besonders nützlich. Deshalb wusste ich, dass Mami mich eines Tages doch wieder würde verkaufen müssen.«
Einen Moment wirkte ihr Gesicht älter, eher wie ihr wahres Alter, und ohne es zu wollen, beugte Mark sich zu ihr hinüber. In dieser Hinsicht konnte er wirklich mit ihr mitfühlen. Dann kicherte sie und kehrte schlagartig zu ihrer Kindlichkeit zurück, als sei eine Tür zugefallen.
»Lassen Sie mich mal Ihr Siegel sehen«, sagte sie und blickte auf seine Hand. »Oh, Sie tragen Ihren Siegelring. Mami hat mir erzählt, dass nur sehr gewöhnliche Geschäftsleute keinen Diener haben, der ihn bringt, wenn sie ihn brauchen.«
Mark errötete, zog ihn vom Finger und reichte ihn ihr. Cherubina untersuchte ihn nachdenklich.
»Trotzdem, Mami kann nicht immer recht haben. Sie müssen schrecklich reich sein.« Sie kicherte. »Was ist das überhaupt?«
»Es ist ein Seestern …«, murmelte Mark. »Meine Familie, ähm … hat mit Fisch gehandelt, und ich habe als Gehilfe eines Sterndeuters angefangen, deshalb …«
Mark hielt inne. Cherubina tat noch nicht einmal so, als würde sie zuhören. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, goldenes Garn zu suchen.
»Dann braucht Ihre Puppe einen goldenen Seestern auf ihrem Mantel …«, rief sie und zog das Garn jubelnd aus einer Schublade. »Es muss alles genau passen«, fügte sie hinzu und führte mit vor Konzentration gerunzelter Stirn den Faden an eine Nadel heran. »Für meinen Mark ist das Beste gerade gut genug …«
Mark konzentrierte sich auf Cherubinas Finger, die sich über den Stoff bewegten. Hauptsache, er musste sich nicht im Zimmer umsehen und den Blicken aus Tausenden von Glasaugen begegnen, die ihn aus jeder Ecke anstarrten.
Die Tiere gingen ja noch, aber an diesen Puppen war etwas, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Wenn er Cherubina ansah, drehte sie sich weg oder ließ ihre Finger schüchtern über den Tisch wandern, um seine zu treffen. Dann zuckte er jedes Mal erschrocken zusammen, aber wenn er hinsah, schien sie wieder völlig von ihrer Arbeit eingenommen. Ihre Blicke trafen sich nur gelegentlich, und dann kam sich Mark noch verwirrter vor als jemals zuvor. Denn unter der mädchenhaften Albernheit sah er noch etwas anderes – einen Ausdruck völliger Erleichterung. Fast unbewusst fragte sich Mark, wie die anderen Bewerber gewesen waren.
Oberin Angelina ließ sie eine Stunde lang allein. Als sie ins Zimmer kam, sprang Mark ein wenig zu rasch auf, doch bevor er sich entschuldigen konnte, legte die Oberin den Verlobungsvertrag vor ihm auf den Tisch. Mark spürte, wie sein Hals trocken wurde – in Cherubinas traumverlorener Gesellschaft hatte er fast vergessen, dass hier gerade über seine Zukunft entschieden werden sollte. Vielleicht konnte er es eine Weile aufschieben, versuchen, eine andere Lösung für seine Probleme finden. Nervös suchten seine Finger nach dem Siegelring. Er war nicht an seinem Finger. Cherubina hatte ihn noch.
»Ist schon gut«, sagte Cherubina eifrig. »Ich mache das für dich. Sonst habe ich ja nie die Gelegenheit dazu. Ich weiß nicht mal, wo mein Siegel ist.«
Schon drückte sie seinen Ring neben der von
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