Die Stadt der verkauften Traeume
Woche zuvor mit der Verblichenen zusammen gesehen hatte. Wir haben uns alle Ihre Belege aus den Archiven bringen lassen. Eine höchst interessante Lektüre.«
Pete war jetzt blass geworden. Lily war verwirrt, entsetzt und fasziniert zugleich. Was konnte nach allem, was bis jetzt enthüllt worden war, eine solche Reaktionen bei ihm hervorrufen?
»Wir haben auch einige Aufzeichnungen gefunden, die fast zwei Jahre zurückdatieren. Darunter einen Vertrag mit keinem anderen als unserem guten Doktor, dem dieser Laden gehört.« Der Inspektor hielt einen Moment inne und beobachtete Peters Reaktion. »Es ging um den Verkaufeines Kindes, im Tausch gegen ärztliche Behandlung.«
Peters Stöhnen klang schmerzvoll und kam aus abgrundtiefer Dunkelheit.
»Ich habe mir eingeredet, dass ich ihn damit rette«, flüsterte er. »Wenn irgendeiner ihn heilen konnte, dann er. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich selbst durchkomme. Ich dachte, ich würde den Weg gehen, den vor mir schon meine Frau gegangen war, und meine anderen Kleinen …« Er seufzte. »Als er nicht mehr zurückkam, dachte ich, er sei auch gestorben, bis ich dann doch noch von ihm hörte … von seinem Aufstieg.« Pete lächelte traurig. »Mein Mark …«
»Ihr Sohn, Mr Peter«, sagte der Inspektor leise.
Lily spürte, wie ihr der Atem stockte. Die ganze Zeit über hatte sie Marks Vater für ein Ungeheuer gehalten, aber nun tat er ihr leid. Dass er Mark verkauft hatte, war in gewisser Hinsicht das Beste gewesen, was er jemals für seinen Jungen getan hatte.
»Also gut«, gab Pete zu und fuhr sich mit der Hand über die Augen, »es hatte nichts mit Essen zu tun. Ich habe ihr gegeben, was sie wollte, und sie hat mir erzählt, wie es ihm geht und was er so macht …«
»Sie haben sie beauftragt, ihn auszuspionieren«, sagte Pauldron mit tödlich kalter Stimme.
»Nein«, erwiderte Pete und beugte sich vor. »Sie sollte nicht spionieren. Ich wollte nur … Ich wollte Bescheid wissen. Wahrscheinlich hasst er mich, deshalb konnte ich mich ihm nicht selbst zeigen … Und da sie sowieso bei ihm arbeitete … Es war eigentlich eine perfekte Sache …«
»Bis sie Ihnen von der Pescator-Sache erzählte«, fuhr der Inspektor leise fort. »Es hat keinen Zweck, es zu leugnen, Mr Peter, es ist aktenkundig, dass Sie früher die Fischergilde beliefert haben. Ebenfalls steht fest, dass Sie Ihre Arbeit verloren, als die Gilde aufgekauft wurde. So sind Sie durch Ihren Sohn zum Schuldner geworden.« Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Das Direktorium beschafft uns sämtliche Akten.«
Pete saß still mit hängenden Schultern da. Dann sagte er: »Ich konnte es nicht glauben, als sie mir davon erzählte. Das arme Mädchen, sie erwähnte es nur nebenbei, sie wusste nicht, dass ich mal für die Gilde gearbeitet habe. Ich habe sie angeschrien, aber hinterher hab ich mir gedacht, dass mir die Sternejetzt bestimmt das heimzahlen, was ich meinem Jungen angetan habe.« Er ballte die Fäuste. »Aber Miss Gloria … Sie ist einfach weggerannt, als ich sie angeschrien habe. Ich hab sonst nichts getan … Ich schwöre es …«
»Und dann sind sie direkt ins Almosenhaus zurückgegangen?«, fragte Pauldron ganz leise.
»Ich … bin herumgelaufen, um mich zu beruhigen. Aber ich war lange vor Sonnenuntergang wieder hier, das kann Ihnen jeder bestätigen.«
»Sie haben ihr nicht gedroht?«
»Nein …«
»Sie haben nicht zu ihr gesagt, sie sei eine dreckige Lügnerin?«
»Nein!«
»Sie haben nicht Ihr altes Fischmesser gepackt und …?«
»Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt: NEIN!« Pete versuchte, sich von dem Fass zu erheben, aber die beiden Eintreiber dahinter drückten ihn nach unten. Der Inspektor sah ernst zu. Dann nickte er.
»Mr Peter, Sie sind nun Eigentum des Direktoriums, und wir bringen Sie bis zu Ihrer Verhandlung im Gefängnis unter …«
»Erzählen Sie nur ihm nichts davon!«, flehte Pete plötzlich verzweifelt. »Erzählen Sie meinem Jungen nicht von mir … Er soll nicht meinetwegen ins Verderben gerissen werden …«
Lily konnte nicht mehr zuhören. Als sie die Treppe hinaufeilte, drehte sich alles in ihrem Kopf. So viele Neuigkeiten … Dennoch drängte sich ein Gedanke immer wieder nach vorn. Irgendwie war sie sicher, dass Pete die Wahrheit sagte. Er war keiner von den Gewalttätigen. Sie hatte sie oft gesehen, jene, die aus Hoffnungslosigkeit gewalttätig wurden. Er hatte zu viele Aufgaben, selbst in seinem neuen Leben. Er würde niemals zuschlagen.
Aber das
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