Die Stadt der verkauften Traeume
Sie sehen viel älter aus«, sagte er mit einem zufriedenen Lächeln. »Oder sind Sie womöglich ein so großer Lügner, dass Sie nicht einmal Ihr Alter der Wahrheit entsprechend angeben können?«
»Ich habe ein recht schweres Leben gehabt, Sergeant«, antwortete Pete mit trotzigem Blick. »Die Jahre haben mir übler mitgespielt als so manch anderem.«
Lily betrachtete ihn genauer und sah, was er meinte. Er war überhaupt noch nicht so alt, wie sie gedacht hatte, aber seine Haltung entsprach der eines Mannes, der von doppelt so viel Jahren niedergedrückt wurde.
»Es gibt keinen Grund, Mr Peter wegen etwas so Belanglosem zu beschuldigen, Pauldron«, bemerkte der Inspektor und fügte mit Nachdruck hinzu: »Wir haben mehr als genug Beweise.«
»Beweise?« Pete rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her »Was haben …«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte der Inspektor bestimmt und widmete sich seinen Notizen. »Mr Peter, wir haben hier mehrere Zeugenaussagen von ihren …«, der Inspektor suchte nach einem Wort,»… von anderen Kunden hier im Haus, die erwähnt haben, dass Sie sich während ihrer Besuche regelmäßig mit Miss Gloria unterhalten haben. Streiten Sie das ab?«
»Dafür besteht kein Grund«, brummte Pete. »Ein liebes Mädchen, war immer bereit, mit mir zu reden. Auch die anderen hier sind freundlich, aber sie haben viel zu tun. Manchmal hab ich nur jemanden gebraucht, der mir zuhört. Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass man jetzt auch noch für ein kleines Schwätzchen einen Vertrag braucht?«
»Natürlich nicht, aber diese Unterhaltungen blieben nicht auf dieses Gebäude beschränkt, oder? Miss Gloria hat Sie bei mehreren Gelegenheiten im Fische-Bezirk aufgesucht, oder nicht?«
Jetzt fing Pete an zu schwitzen. Lily sah, wie er mit dem Finger um seinen schmuddeligen Kragens fuhr. Mit einem leichten Frösteln erinnerte sie sich an den Abend nach Marks Fest vor einer Woche, als sie selbst Gloria zufällig über den Weg gelaufen war.
»Ich … ich …« Pete rang nach Worten, doch Pauldron beugte sich wieder dicht vor sein Gesicht. Seine Abscheu war greifbar.
»Lügen bringt nichts, Pete. Denken Sie daran, ich selbst habe Sie dort getroffen, in Miss Glorias Begleitung. Miss Lilith wird es ebenfalls beschwören.«
Pete sah auf seine verkrampften Hände hinab. Er murmelte etwas in Richtung Boden.
»Wie war das?«, fragte der Inspektor mit eisiger Ruhe.
»Es … es ist nicht so, wie Sie denken … sie … Miss Gloria … sie steckte in Schwierigkeiten. Ich habe ihr manchmal ausgeholfen. Es war … Flitter … Sie wissen schon, abgefüllte Gefühle …«
»Wir haben bereits in ihren Belegen festgestellt, dass Miss Gloria ungewöhnlich große Mengen dieser Substanzen erwarb«, räumte der Inspektor ein.
Pete lachte freudlos auf. »Sie konnte nicht genug davon bekommen. Obsession, das war ihr liebstes. Sie hat immer gesagt, es lasse die Welt so viel schöner erscheinen, interessanter. Sogar ihre schlimmsten Kunden waren erträglich, wenn sie fütterte.« Pete senkte die Stimme, und Scham sprach aus jeder Silbe. »Ich kenne einige Leute in den Elendsvierteln. Ich habe ein paar Aufträge für einen Verkäufer billigen Flitters erledigt und dafür etwas von dem Zeug bekommen. Er dachte wohl, er könnte mich damit süchtig machen. Also war es nicht schwierig, etwas für sie zu besorgen. Nicht viel, aber wenn sie ein bisschen mehr brauchte … Es ist ja nicht verboten!« Er blickte zornig auf. »Ich habe mich erkundigt. Es war nichts falsch daran, es ihr zu verkaufen.«
»Wenn nichts falsch daran war, Mr Peter«, entgegnete der Inspektor mit leiser Eindringlichkeit, »warum ist sie dann tot?«
Schweigen.
»Uns liegen mehrere Zeugenaussagen vor, denen zufolge Sie sich beim letzten Mal, als Sie sich mit Gloria trafen, mit ihr gestritten haben. Das war gestern Nachmittag um die fünfte Stunde. Einige sagen, Sie hätten sie sogar angebrüllt. Es war das letzte Mal, dass Miss Gloria lebend gesehen wurde.«
Schweigen.
»Sagen Sie mir, Mr Peter, was hat Miss Gloria Ihnen im Gegenzug für Ihre Dienste gegeben?«
»Etwas zu essen … Decken … Ich wollte mir das verdienen und nicht im Almosenhaus darum bitten müssen …«
»Warum konnten wir im Direktorium keine Belege für diese Erwerbungen finden?«
»Aber Sie haben doch noch gar keine Zeit gehabt …«
»Ganz im Gegenteil, Mr Peter. Sergeant Pauldron erwähnte Ihren Namen sofort nachdem die Leiche gefunden worden war, da er Sie erst eine
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