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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kristallwald nennt?«, murmelte Mike.
Er bekam keine Antwort, aber ihm fiel auf, dass Astaroth nicht
einmal in seine Richtung sah. Und das, obwohl der Kater
normalerweise nie eine Gelegenheit ausließ, um eine seiner
gehässigen Bemerkungen loszulassen. Er saß einfach da, leckte
sich die Vorderpfoten und tat so, als wäre Mike gar nicht da.
»Astaroth?«, fragte Mike. Astaroth reagierte nicht.
»Habe ich dich irgendwie beleidigt?«, fragte Mike.
Astaroth reagierte immer noch nicht. Seine Ohren
zuckten,
aber er fuhr seelenruhig fort, sich die Pfoten zu lecken.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Mike
beugte sich vor,
streckte die Hand nach dem Kater aus und berührte ihn
vorsichtig am Kopf.
Astaroth fauchte erschrocken, prallte mit einem Satz zurück
und schlug nach ihm. Seine Krallen hinterließen lange, blutige
Kratzer auf Mikes Hand.
»Au!«, schrie Mike
– allerdings weit mehr überrascht
als
wirklich zornig. Trotzdem fügte er noch hinzu:
»Bist du verrückt geworden?«
Er sprang hoch, machte einen Schritt auf Astaroth zu und
blieb wieder stehen, als der Kater einen Buckel machte und
fauchend vor ihm zurückwich. Astaroths Auge funkelte und er
hatte die Krallen drohend ausgefahren.
Mikes Verwirrung verwandelte sich in jähen Schrecken,
dann in Besorgnis. Astaroth benahm sich wie
ausgewechselt.
Es war, als ob der Kater nicht einmal mehr wüsste, wer er war!
»Astaroth!«, murmelte er. »Was ist denn mit dir los?«
Er bekam keine Antwort. Astaroth fauchte nur noch einmal,
dann fuhr er herum und verschwand wie der Blitz im Unterholz.
Mike blickte ihm vollkommen verstört hinterher.
Singh kam aus der entgegengesetzten Richtung herangestürmt.
Auf seinem Gesicht lag ein erschrockener Ausdruck und er
hatte die Hand auf das Schwert gelegt. »Was ist los?«, rief er.
»Du hast geschrien! Was ist passiert?«
»Astaroth.« Mike streckte dem Inder den rechten Arm
entgegen. Auf seinem Handrücken prangten drei frische, blutige
Schrammen. »Er ist plötzlich einfach auf mich losgegangen!«
»Er hat dich angegriffen?«, fragte Singh ungläubig.
»Astaroth?«
»Er ist vollkommen durchgedreht!« Mike presste die
schmerzende Hand gegen die Seite. »Und zwar vollkommen
grundlos ... Hast du Sarn oder einen der anderen gesehen?«
Singh schüttelte den Kopf. »Nein. Und wir sollten
auch
nicht länger hier bleiben. Dieser Ort gefällt mir nicht.«
Mike konnte ihm nicht widersprechen. Der Dschungel ringsum
war so dicht, dass nicht einmal daran zu denken war, Astaroth zu
folgen. Außerdem wusste er aus langjähriger Erfahrung, was für
ein sinnloses Unterfangen es war, den Kater zu suchen. Wenn
Astaroth nicht gefunden werden wollte, dann wurde er nicht gefunden. Trotzdem fragte er: »Und ... Astaroth?«
Singh zuckte mit den Schultern. »Er wird uns schon finden.
Komm jetzt!«
Sie verließen den kleinen Hain und näherten sich vorsichtig
wieder der Straße, von der sie abgebogen waren. Nach einigen
Schritten blieb Mike jedoch noch einmal stehen und sah zurück.
Aus der Entfernung betrachtet wirkte der Kristallwald noch
unheimlicher als aus der Nähe. Es war, als ob ein
unsichtbarer Schatten über den Bäumen hing; etwas, was nicht
zu sehen, aber sehr deutlich zu spüren war.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Singh. »Dein Kater kommt
schon zurück, wenn er sich beruhigt hat.«
Mike sah den Inder verwirrt an, aber dann schüttelte er den
Kopf. »Das meine ich nicht«, sagte er. »Aber irgendetwas stimmt
mit diesem Wald nicht.«
»Was soll damit nicht stimmen?«, fragte Singh. »Aber spürst du
es denn nicht?«, fragte Mike. »Da ist irgendetwas. Ich fühle
mich in seiner Nähe einfach nicht wohl.«
Singh machte eine wegwerfende Geste. »Ich fühle mich in
ganz Lemura nicht wohl«, sagte er. »Je
schneller wir hier
wegkommen, desto besser.« Er machte eine Handbewegung zu
dem künstlichen, in sanftem Grün schimmernden Himmel
über ihnen. »Der Druck von viertausend Metern Wasser lastet
auf dieser Kuppel. Irgendwann wird sie zusammenbrechen. Und
dann möchte ich möglichst weit weg sein.« »Zusammenbrechen?
Wie kommst du darauf? Sie steht seit zehntausend Jahren.«
»Und das sind wahrscheinlich neuntausend mehr, als
ihre
Konstrukteure vorgesehen haben«, antwortete Singh. Er
schüttelte heftig den Kopf, als Mike widersprechen wollte, und
fuhr mit erhobener Stimme fort: »Lemura ist dem Untergang
geweiht, Mike. Die Kuppelstadt ist ein technisches Wunderwerk,
zu dem unsere Zivilisation niemals in der Lage wäre,

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