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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber auch
ihr sind Grenzen gesetzt. Und ihre Grenzen sind erreicht, Mike,
schon seit langer Zeit. Lemura wird untergehen. Vielleicht in
einem Jahr, vielleicht auch erst in fünf, vielleicht aber auch
schon morgen.«
Mike war verwirrt
– nicht einmal so sehr über das, was
Singh sagte, sondern über die Art, wie er es tat. Der Inder war
über die Maßen erregt.
»Du weißt eine Menge über Lemura«, sagte er vorsichtig.
»Ich habe lange mit Argos gesprochen«, antwortete Singh.
»Wann?«
»Auf dem Weg hierher«, antwortete Singh. »Er hat mich ein
paar Mal zu sich gerufen, während du und die anderen in euren
Kabinen gefangen wart. Wir haben lange miteinander geredet.
Er hat versucht, mich von seiner Sache zu überzeugen ... Ich
weiß nicht, warum gerade mich. Vielleicht weil er glaubte,
mich am ehesten überzeugen zu können.«
»Und wieso?«
Singh hob die Schultern. »Vielleicht, weil ich ich bin«, sagte er.
»Es ist noch nicht so furchtbar lange her, da war auch ich ein
Sklave – ganz wie die meisten Menschen hier.«
»Man könnte fast glauben, es wäre ihm gelungen«,
sagte
Mike leise.
Singh lächelte. »Kaum. Allerdings bin ich nicht mehr
der
Meinung, dass er und die anderen wirklich so blutrünstige
Ungeheuer sind, wie Sarn und viele hier glauben.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«, empörte sich Mike. »Ich
habe als Sklave in den Korallenbrüchen gelebt! Ich habe am
eigenen Leib gespürt, wie wenig ein Menschenleben hier zählt!«
»Es ist die einzige Art, auf die sie überleben können, Mike«,
sagte Singh ernst.
»Wie bitte?«, keuchte Mike. »Du ... du verteidigst diese Kerle
auch noch?«
»Keineswegs«, antwortete Singh ruhig. »Ich versuche nur, es
dir zu erklären. Lemura war niemals für so viele Menschen
gedacht und niemals für eine so lange Zeit. Als der Nachschub
aus Atlantis ausblieb, da wären die Menschen hier beinahe alle
gestorben. Sie mussten lernen, mit dem zu leben, was die Natur
hier unten bietet. Was nicht viel war.«
»So kann man es auch sehen«, sagte Mike düster.
»Und die herrschende Klasse hat rasch gelernt, es sich
auf
Kosten der anderen gut gehen zu lassen, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Singh. »Und das müssen sie auch.«
Mike riss ungläubig die Augen auf. »Wie?«
»Es sind nur wenige«, sagte Singh. »Aber die wenigen
entschieden über das Weiterleben oder Sterben aller. Sie sind
die Einzigen, die noch mit der alten Technik umgehen können.
Ohne Argos und die anderen, die im Palast leben, würden
alle hier binnen kürzester Zeit zugrunde gehen.«
»Das gibt ihnen doch nicht das Recht –«
»Es ginge keinem hier wesentlich besser, wenn es die
herrschende Kaste nicht gäbe«, fiel ihm Singh ins
Wort.
»Und sie sind nicht nur Ausbeuter und Tyrannen. Warum
glaubst du wohl, haben Argos und die anderen Lemura verlassen
und ihr eigenes Leben dabei aufs Spiel gesetzt?«
»Du hast es vorhin selbst gesagt: Lemura wird untergehen.«
»Sie hätten nicht zurückkommen müssen«, fuhr Singh
fort.
»Sie haben fast alles, was von Lemuras alter Technik noch
übrig war, aufgewandt, um an die Meeresoberfläche zu gelangen.
Aber nicht, um ihre eigenen Leben zu retten, sondern um eine
Möglichkeit zu finden, wie alle Menschen von hier fortkommen
können!«
»Die Flugscheibe«, murmelte Mike.
»Anfangs, ja«, antwortete Singh. »Aber dann trafen sie uns.
Deshalb haben sie uns die NAUTILUS weggenommen, Mike: Um
mit ihrer Hilfe die Menschen von hier wegzubringen.«
»Und warum haben sie uns nicht einfach um Hilfe gebeten?«,
fragte Mike. »Wir hätten es doch getan!«
»Das musst du Argos und die anderen fragen«, antwortete
Singh. »Ich habe ihm dasselbe gesagt, aber er hat mir nicht
geglaubt.« Er zuckte mit den Schultern.
»Was ist los mit dir, Singh?«, fragte Mike. »Wieso ... verteidigst
du Argos und die anderen plötzlich? Du ... du bist ja gar nicht
mehr du selbst!«
»Vielleicht habe ich angefangen, über gewisse Dinge
nachzudenken«, antwortete Singh hart. »Wenn dir das
nicht
gefällt, sag es einfach. Ich kann gerne wieder dein Sklave sein
wie früher.«
Mike war vollkommen fassungslos. Früher, lange bevor sie die
NAUTILUS gefunden und damit ihr neues,
abenteuerliches
Leben begonnen hatten, war Singh tatsächlich sein Diener und
Leibwächter gewesen. Aber er hatte ihn niemals als
Dienstboten behandelt oder gar als Sklaven! Singhs Worte
entbehrten nicht nur jeder Grundlage, sie taten weh. Mike
antwortete nicht darauf, sondern drehte sich wortlos herum

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