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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kürzeren Abständen. Ich weiß nicht, wie
lange die Kuppel noch hält.«
»Aber wieso?«, murmelte Mike. »Ausgerechnet jetzt! Das kann
doch kein Zufall sein!«
»Ist es auch nicht«, antwortete Trautman düster. »Diese ganze
Konstruktion hätte schon vor Jahrtausenden
zusammenbrechen
müssen. Nur die unermüdliche Ingenieurkunst von Argos’
Technikern hat den Verfall bisher aufgehalten
– sie und die
magischen Kräfte Argos’. Aber seit wir hier sind, haben sie all
ihre Kräfte darauf konzentriert, die NAUTILUS zu reparieren
und umzubauen. Das Ergebnis siehst du dort draußen. Lemura
wird untergehen. Vielleicht schon heute.«
»Das ... das kann ich nicht glauben«, murmelte Mike.
»All
diese Menschen hier werden sterben, wenn die Kuppel
zusammenbricht!«
»Das ist Argos vollkommen egal«, antwortete Trautman. »Sie
sind ihm gleich. Wenn er und die anderen Mitglieder der
herrschenden Kaste in Sicherheit sind, können sie seinetwegen
ruhig sterben. Sie waren ohnehin nicht mehr als ... Werkzeuge für ihn.«
Trautman erzählte ihm im Grunde nichts Neues und trotzdem
war Mike zutiefst erschüttert. Das Allerschlimmste war und
blieb aber das Gefühl der Hilflosigkeit. Das Wissen, absolut
nichts für die Menschen hier in Lemura tun zu können, war
beinahe mehr, als er ertrug.
Er sah wieder auf den Bildschirm. Das tobende Wasser begann
sich zu beruhigen und die Sklaven hatten ihre Packstücke
wieder aufgehoben und setzten ihre Arbeit fort, als wäre
nichts geschehen. Beherrscht von Argos’ Magie begriffen sie
wahrscheinlich nicht einmal die Gefahr, in der sie alle
schwebten. Und vielleicht, dachte Mike niedergeschlagen, ist es
sogar besser so. Sie konnten diese Menschen nicht retten. Warum also sollten sie ihre letzten Stunden in Todesangst
verbringen?
    Die Zeit verstrich quälend langsam. Die Stunde, von
der
Trautman dem Krieger gegenüber gesprochen hatte, war
vermutlich noch lange nicht verstrichen, aber Mike kam es so
vor, als hätte es mindestens zehnmal so lange gedauert. Wie es
Ben und den anderen in ihrem winzigen Versteck unten im
Rumpf der NAUTILUS ergehen mochte, wagte sich Mike nicht
einmal vorzustellen. Er sah immer öfter auf den kleinen Bildschirm. Doch weder Singh und Serena noch Argos und seine
Leute tauchten auf dem Steg auf. Nur die Kette der Sklaven, die
Vorräte und Waren an Bord des Schiffes brachten, nahm kein
Ende.
    Plötzlich räusperte sich Trautman, um ihn auf etwas
aufmerksam zu machen. Mike sah genauer auf den Bildschirm,
aber es vergingen noch einmal Sekunden, ehe auch ihm auffiel,
was Trautman bemerkt hatte: Der Zug der Sklaven hielt an und
er hatte sich verändert. Bisher waren es vornehmlich Männer
gewesen, die Kisten und Säcke aus dem Lagerhaus brachten, allenfalls ein paar Jungen in seinem und Bens Alter. Nun aber
entdeckte er unter ihnen auch Frauen, junge Mädchen, ja,
sogar ein paar Kinder, die kaum in der Lage schienen, die
Lasten zu tragen, die man ihnen aufgeladen hatte.
»Was ist da los?«, murmelte Trautman.
    Mike wusste die Antwort auf die Frage nicht – und dann,
endlich, sah er auf dem Schirm, wonach er so lange vergeblich
Ausschau gehalten hatte: Tief nach vorne gebeugt unter großen,
prall gefüllten Säcken bewegten sich auch Sarn, Singh und
eine schlanke
Mädchengestalt mit hüftlangem, goldfarbenem
Haar auf die NAUTILUS zu.
Serena!
    Mike konnte im letzten Moment einen Aufschrei unterdrücken. Serena? Seit annähernd drei Monaten hatte er sie
nicht mehr gesehen, aber ihm wurde erst jetzt klar, wie sehr er
sie wirklich vermisst hatte. Sein Herz begann zu klopfen. Er
beugte sich weiter vor, um Serenas Gesicht genauer zu erkennen,
aber er konnte einfach nicht sagen, ob die Leere in ihrem Blick
nur geschauspielert oder echt war.
    »Beherrsch dich«, flüsterte Trautman. »Wenn die Wachen sie
sehen, ist es aus!«
Damit hatte er natürlich Recht. Mike riss seinen Blick mühsam
vom Bildschirm los, beugte sich über das Kontrollpult und tat
so, als wäre er damit beschäftigt, die Anzeigen darauf zu
überwachen. Aber es kostete ihn all seine Kraft, nicht
ununterbrochen wieder auf den Bildschirm zu blicken.
Wenn er gedacht hatte, dass sich die Zeit bisher im
Schneckentempo bewegte, so schien sie nun stehen zu bleiben.
Minuten vergingen, quälend langsam und scheinbar endlos, und
irgendwann hielt es Mike einfach nicht mehr aus und blickte
doch auf den Bildschirm. Singh, Serena und Sarn waren nicht
mehr darauf zu sehen. Sie mussten die NAUTILUS

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