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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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sich der gestrige Abend von allen vorherigen?«
    Das ist unfair von ihm, weil ich den Club selten mehr als zweimal pro Woche besuche.
    Die Kinder erscheinen im Türrahmen.
    »Lasst uns frühstücken«, sagt er zu ihnen, obwohl die Worte eher an mich gerichtet zu sein scheinen. Sie rennen wieder davon. Er steht auf. Ich sehe, dass er immer noch dasselbe schmal geschnittene Hemd und die Hose vom Vorabend trägt.
    »Will«, sage ich zögernd.
    »Erzähl ihnen nichts darüber, wie du lebst. Nicht vor Elise. Sie kennt nur eine einzige Frau, unsere ältere Nachbarin, deshalb findet sie dich ganz besonders spannend.«
    Er spricht von der Araby aus dem Club. Er weiß nichts über mich. Aber vielleicht gibt es ja gar nicht mehr über mich zu wissen.
    Er geht voran in die Küche. Die beiden Fenster sind mit mehreren Decken verhängt, die offenbar vor die Scheiben genagelt wurden. Trotzdem dringt immer noch Licht herein, sodass der Eindruck entsteht, als verberge sich ein Buntglasfenster dahinter. Der Raum verströmt eine stille, eigentümlich angenehme Atmosphäre. Auf dem Tisch liegen sechs Äpfel. Will packt einen halben Laib Brot aus und beginnt, es mit einem scharfen Messer zu schneiden. Die Kinder ziehen einen einzelnen Stuhl heran und quetschen sich nebeneinander darauf.
    »Setz dich«, lädt Elise mich ein. Vorsichtig setze ich mich auf einen freien Stuhl.
    »Ich bin Araby«, sage ich zu ihr. Vielleicht weiß er ja tatsächlich nicht, wie ich heiße oder wer ich bin.
    Will lächelt.
    »Kümmerst du dich um sie?«
    »Ja. Unsere Mutter ist vor drei Jahren gestorben.« Er nimmt einen Apfel und legt ihn vor Henry auf den Tisch.
    »Außer den Eiern ist das alles, was wir bis morgen zu essen haben, Will«, sagt Elise, deren Augen viel zu groß für ihr Gesichtchen sind.
    Ich versuche zu überschlagen, wie viel es für jeden von ihnen ausmacht, wie viele Bissen. Nicht viele. Er toastet das Brot über einer Art Brenner.
    »Ist die Luft hier sicher?«, frage ich und lege die Hand an die Maske. Es ist merkwürdig, sie als Einzige in einem Raum zu tragen.
    »Nein«, antwortet Will. »Lass die Maske lieber auf. Wäre doch schade, wenn ich dich gerettet hätte, nur damit du dich mit der ungefilterten Luft vergiftest.«
    Ich sehe zu den Kindern hinüber, deren Gesichter unbedeckt sind. Die Luft in der Unterstadt sei von der Seuche geschwängert, heißt es.
    Will schlägt ein Ei in eine Pfanne und hält sie über den Brenner.
    »Du wohnst also hier und ziehst zwei Kinder groß, ja?«
    »Ja.«
    »Ist das schwierig?«
    Er lacht. »Ja, allerdings.«
    »Wie kam es dazu?«
    »Das Übliche eben. Meine Familie hat die Seuche überlebt, und es schien alles in Ordnung zu sein. Ich habe mich immer unten im District herumgetrieben, als es dort interessant wurde. Ich habe gemerkt, dass mich Mädchen mit ungewöhnlich gefärbten Haaren und schwarzen Corsagen ganz besonders anziehen. Mädchen, die mit leeren Augen in ihre Drinks starren und ihre verlorene Welt betrauern.«
    »Klingt ziemlich poetisch«, bemerke ich.
    »Es war idiotisch.« Er lächelt. »Aber dann habe ich mir einen Job gesucht und angefangen, Geld zu sparen. Irgendwann ist mein Vater gestorben und meine Mutter krank geworden. Ich musste die Miete für die Wohnung bezahlen und Geld für Medikamente und Lebensmittel auftreiben. Der Prinz wurde auf mich aufmerksam. Ihm gehört der Debauchery Club.«
    Dem Prinzen gehört so gut wie alles.
    Will streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »An manchen Tagen hatten wir genug zu essen, an anderen leider nicht. Die Arbeit im Debauchery Club scheint genau das Richtige für mich zu sein. Eine Nachbarin passt abends auf die Kinder auf. Sie verlangt nicht viel Geld dafür, dass die beiden in ihrem Gästebett schlafen dürfen. Aber vor Sonnenaufgang muss ich zu Hause sein, weil sie als Köchin für irgendeine reiche Familie arbeitet.«
    Irgendeine reiche Familie. So wie meine. Diese Nachbarin könnte ohne Weiteres unsere Köchin sein.
    »Früher, mit fünfzehn, sechzehn, habe ich sie oft allein gelassen, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Aber heute bin ich vorsichtiger.«
    Kinder allein zu lassen ist gefährlich. Wenn die Behörden ein unbeaufsichtigtes Kind finden, müssen sie es mitnehmen, und der Vater oder die Mutter bekommen es niemals wieder.
    Will reicht mir eine Scheibe getoastetes Brot. Ich will ihnen nichts von ihren ohnehin knappen Lebensmitteln wegessen, doch es erscheint mir unhöflich, es abzulehnen. Also

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