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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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und schleudert ihn auf die Straße, wo er in Abertausende Teile zerbirst. Das goldene Kruzifix hingegen behält er. Inzwischen hat er gewendet. Das Feuer lodert hinter uns. Niemand ist da, um es zu löschen. Holzbalken gehen in Flammen auf, die sich weiterfressen, bis sie die Schindeln eines Daches hoch über uns erreichen.
    »Wenn ich erst einmal in der Stadt das Sagen habe, werde ich die Feuerwehr reformieren.«
    Die Stelle, wo ich mir die Hand an dem Krokodilszahn aufgerissen habe, pocht.
    Die Luft in diesem Teil der Stadt ist so schwer, dass ich die Kondenstropfen auf meinem Arm spüren kann. Im Schein des Feuers in unserem Rücken blicke ich zu den Bogenfenstern hinauf. Sie haben keine Scheiben mehr. Ich höre die Schreie der Fledermäuse und das Flattern ihrer Flügel.
    Die Fahrt scheint kein Ende zu nehmen. Elliott lenkt die Dampfkutsche auf die Hauptstraße zurück. Der Anblick der halb zerfallenen Kirchen macht mich traurig. Sie sind die Bindeglieder zwischen den einzelnen Vierteln, stolze steinerne Gemäuer mit hohen Glockentürmen und Dächern.
    Endlich ragen die Akkadian Towers vor uns auf. »Gleich haben wir es geschafft«, sagt Elliott.
    Ich habe nur einen einzigen Wunsch – endlich zu Hause sein. Wenn wir mit Aprils Kutsche unterwegs waren, hatten wir wenigstens Wachen.
    »Sieh dich noch mal im Labor deines Vaters um, wenn sich die Gelegenheit bietet. Vielleicht findest du ja Briefe von meinem Onkel. Sowohl er als auch die Rebellen werden versuchen, deinen Vater auf ihre Seite zu ziehen. Wir müssen herausfinden, was sie vorhaben, damit wir uns überlegen können, wie wir ihm helfen.«
    Mir ist nicht entgangen, wie Elliott meinen Vater angesehen hat, und ich bezweifle, dass er ihm tatsächlich helfen will. Allmählich dämmert mir, dass Elliott notfalls jedes Opfer bringen würde, um seinen Plan durchzusetzen. Und er glaubt, dass ich dasselbe tun würde.
    »Das werde ich«, sage ich, wenn auch nur, um die Stille zu durchbrechen.
    Meine Eltern haben mich immer vor den Gefahren in der Stadt gewarnt. Ich habe zwar schon zahllose Explosionen vor meinem Fenster gesehen, doch nur einen einzigen Menschen, der etwas in die Luft gejagt hat – und das ist Elliott.

Z EHN
    M utter und Vater sitzen einander gegenüber am Frühstückstisch.
    Im sanften Licht des Morgens erscheint es mir geradezu absurd, dass Elliott und ich unser Leben riskiert haben, nur damit ich hier bei meinen Eltern sein kann, die mich kaum zur Kenntnis nehmen.
    Die Rosen in der Vase auf dem Tisch sind halb verwelkt. Mutter knabbert an einer Scheibe Brot. Sie isst nur sehr wenig und trauert Gemüse- und Obstsorten hinterher, die nicht mehr angebaut oder nicht mehr importiert werden können. Ich könne das nicht verstehen, weil ich nie in den Genuss der köstlichen Saucen oder der winzigen Pilze gekommen sei, von denen sie träumt, sagt sie. Als Vater sich tagelang in seinem Labor vergraben hat und Finn und ich uns allein auf die Suche nach etwas Essbarem machen mussten, hat Finn ein Spiel daraus gemacht, die wildesten Kreationen zusammenzustellen und mich dazu zu bewegen, sie zu probieren. Gelegentlich bescherten mir seine unorthodoxen Zusammenstellungen Übelkeit und Bauchweh.
    Mutter beschwert sich, dass es keine Butter mehr gibt, um sie aufs Brot zu streichen. Ich nehme einen herzhaften Bissen. Es ist mir egal, dass es staubtrocken ist. Ich esse, um am Leben zu bleiben, denn wenn ich hier in dieser Wohnung sterbe, wird sie diejenige sein, die meine Leiche findet. Auch wenn wir noch so enttäuscht voneinander sind, will ich ihr das keinesfalls antun.
    Ich seufze. Meine Eltern sehen mich an, aber keiner fragt mich, was los ist. Vielleicht fürchten sie sich vor meiner Antwort. Oder es ist ihnen egal.
    »Ich überlege, eine karitative Aufgabe zu übernehmen«, sagt Mutter.
    »Vergiss nicht, dass die Leute ihre eigene Fabrik niedergebrannt haben. Niemand kann die Welt retten. Nicht, wenn sie gar nicht gerettet werden will.« Die Desillusionierung hat einen alten Mann aus meinem Vater gemacht.
    Es ist ungewöhnlich, dass sie so reden. Früher hatten sie stets großes Interesse an ihren Kindern, aber damals waren wir auch noch zu zweit.
    »Ich werde runtergehen und mich erkundigen, wie es draußen aussieht«, sagt Vater. »Wenn es sicher ist, könnten wir vielleicht einen Spaziergang machen, Araby.«
    Ich nicke. Ich kann immer noch nicht vergessen, was ich getan habe. Selbst der winzigste Muckser könnte meine Familie in ernsthafte Gefahr

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