Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
Das hat nichts mit dir zu tun, sondern nur mit mir. Er will mir damit zeigen, dass er mir jederzeit alles nehmen kann, woran mir etwas liegt.«
Ich schließe die Augen. Im Moment kann ich weder über seinen Onkel noch über seine geplante Rebellion nachdenken. Ich werde in diesem endlosen Wald sterben, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, meine Eltern um Verzeihung zu bitten.
»Nur noch eine Stunde, dann sind wir wieder in der Stadt.« Elliott nimmt meine Hand.
Ich beiße mir auf die Lippe und tue so, als würde ich vor Schmerz weinen, während die Kutsche gnadenlos über Wurzeln und allerlei Unrat hinwegrumpelt.
»Ich werde dich nicht sterben lassen«, sagt er. »Ich werde dich nicht sterben lassen.« Er sagt die Worte wieder und wieder, bis sie mit dem Geräusch der Räder und dem Stampfen des Dampfmotors verschmelzen. Schließlich höre ich nichts als seine Stimme und schließe die Augen.
Als ich sie das nächste Mal öffne, sind wir bereits in der Stadt. Der Heißluftballon des Debauchery Districts schwebt inmitten einer Wolkenschicht über uns. Elliott biegt in eine schmale Gasse und fährt durch eine Passage hinter einem Gebäude.
Als er anhält, steige ich taumelnd aus der Kutsche. Ich habe Mühe, Halt zu finden, doch in diesem Moment hebt Elliott mich bereits hoch.
»Wo sind wir?«, frage ich.
»In der Werkstatt, in der wir die Masken herstellen.«
»Wirklich?« An irgendeinem Punkt in diesem ganzen Wahnsinn habe ich meinen Glauben an ihn verloren. Es war einfacher, mich selbst zu hassen und in der Gewissheit zu leben, dass ich Vater völlig umsonst verraten habe, als mich in der Sicherheit zu wiegen, dass Elliott sein Versprechen tatsächlich halten würde.
»Sieh mich an.«
Ich gehorche. Der einzige Grund, weshalb ich nicht in Panik ausgebrochen bin, ist seine Ruhe, doch nun ist ihm die Besorgnis ins Gesicht geschrieben. Ich will nach Hause, zu meinen Eltern. Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hat Elliott mir vorgeworfen, keine Angst vorm Sterben zu haben, dabei könnte meine Angst nun, da ich den Tod vor Augen habe, nicht größer sein.
»Ich bin froh, dass du an mich geglaubt hast«, sagt er.
Er trägt mich eine enge Treppe hinunter. Einmal gerät er ins Straucheln.
Ein junger Mann sitzt vor mehreren Porzellanteilen an einem Tisch in dem von Gaslampen erhellten Heizungsraum im Keller des Hauses. Über seiner Maske trägt er eine Brille mit dicken Gläsern, auf deren linker Seite eine Lupe angebracht ist. Er sieht nicht auf, als Elliott zur Tür hereinstürmt.
»Ich habe dich schon gestern mit dem Geld erwartet. Ich kann diese Dinger nicht ohne …«
»Hilfe«, sagt Elliott nur.
Der junge Mann springt auf. »Ist das die Tochter …«
»Ich glaube, sie stirbt, Kent.«
Als ich das Wort sterben höre, beginne ich wieder zu würgen. Ein scharfes Brennen fährt durch meinen Magen. Ich winde mich vor Schmerz in seinen Armen. Elliott legt mich auf einen metallenen Tisch. Ich bin schweißüberströmt, und das Haar klebt mir am Kopf.
»Es ist ein sehr starkes Gift«, erklärt Elliott.
»Dein Onkel?«
Ich öffne den Mund, um mich zu beschweren, weil sich der Metalltisch so kalt anfühlt, aber Elliott und sein Freund sind damit beschäftigt, in irgendwelchen Flaschen und sonstigen Behältern herumzukramen.
»Lass mich das machen«, sagt Kent. »Dir fehlt der nötige Abstand.«
Trotzdem will ich nicht glauben, dass Elliott seine Beteuerung, er liebe mich, wirklich ernst gemeint hat.
»Araby, kannst du mich hören?«, fragt er. »Ist dir irgendein ungewöhnlicher Geschmack aufgefallen? Irgendetwas?« Ich hebe den Kopf, um Kent anzusehen, und stelle erschrocken fest, dass ich ihn kenne.
»Ich habe dich schon mal gesehen«, krächze ich. »In der Buchhandlung.«
»Ja«, bestätigt er. »Ich glaube, wir haben uns einmal beinahe kennengelernt.«
Er reicht mir einen Becher mit einer kalten Flüssigkeit.
»Trink das.«
Ich würge das Zeug hinunter.
»Mir ist kein … besonderer Geschmack aufgefallen«, sage ich. »Höchstens vielleicht, dass der Wein sehr süß war.«
Er gießt etwas aus einem Teströhrchen in eine Tasse, worauf die Flüssigkeit zu schäumen und zu sprotzeln beginnt.
»Ich werde eine Injektion vorbereiten«, sagt Elliott. Mein Blick richtet sich auf das Vergrößerungsglas an Kents Schutzbrille.
»Du bist Wissenschaftler«, höre ich mich sagen. Ein abtrünniger Wissenschaftler, der sich vor dem Prinzen versteckt. Und der Elliott hilft, seine Revolution auf die Beine zu
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