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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Treppe. Er zieht mich zurück, worauf wir beide gegen die Wand prallen. Er lacht. Und aus irgendeinem Grund stimme ich unwillkürlich in sein Gelächter ein.
    »Was ist denn so lustig daran, um ein Haar die Treppe hinunterzufallen?«, will April wissen.
    »Es ist lustig, weil sie mir zuerst Vorträge über Sicherheit hält und dann selber beinahe …« Elliotts Lächeln verfliegt. Er mustert seine Schwester stirnrunzelnd. »Ich fand es eben komisch. Absurd.«
    Sie stemmt die Hände in die Hüften und starrt ihn ebenso finster an.
    »Ich wette, du findest es ganz toll, wenn er seine großen Reden schwingt«, sagt sie.
    Darauf könnte ich jetzt vieles antworten. »Ehrlich gesagt, kann ich ihn überhaupt nicht leiden«, gebe ich zurück.
    Schweigend steigen wir die Treppen hinauf. Ich kann es kaum erwarten, April und Elliott ein paar Stunden lang nicht sehen zu müssen. Ich sehne mich danach, bei meinen Eltern zu sein, in Sicherheit. Im Geiste formuliere ich bereits eine Entschuldigung für Vater, und dann haben wir es endlich geschafft. Wir sind oben. Ich taumle die letzten Stufen hinauf. Als wir um die Ecke biegen, öffnet mir unser Kurier die Tür. Ich schlüpfe hinein, heilfroh, all die Konflikte und Verschwörungen hinter mir zu lassen und die Tür hinter mir verriegeln und verrammeln zu können.
    »Mutter? Vater?«
    Ich bin allein.
    Ich gehe von Zimmer zu Zimmer und rufe nach ihnen. Ich wundere mich, wie meine Stimme in den leeren Räumen widerhallt. Im Wohnzimmer lasse ich mich zu Boden sinken und schlage die Hände vors Gesicht. Mutter ist nicht hier, um mir Cracker zu bringen, und Vater kann mich nicht ansehen, als wäre ich eine Fremde. Soweit ich weiß, wütet immer noch Prosperos Gift in meinem Körper, und wenn meine Eltern nicht hier sind, kann ich sie auch nicht mehr um Verzeihung bitten, bevor ich sterbe. Ich habe sie in schreckliche Gefahr gebracht. Ich will, dass sie mich trösten, mir beteuern, dass alles wieder gut wird. Auch Mutter. Sie ganz besonders.
    Ich laufe in Mutters Zimmer, reiße ihren Schrank auf und sehe hinein. Fehlen welche von ihren Kleidern? Vielleicht hat ja jemand einen Lederkoffer herausgenommen.
    Wie hat Vater es geschafft, seine Freiheit zu verteidigen, solange wir ausgerechnet hier leben, in einer Wohnung, die einst dem Prinzen gehört hat? Ich ziehe sein Tagebuch heraus und schlage die Seite auf. Es ist alles meine Schuld. Ich muss wissen, was er damit meint. Aber die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen, und ich stelle fest, dass mein Kopf immer noch fürchterlich schmerzt.
    Irgendwo schlägt eine Uhr. Eine Stunde vergeht. Immer noch keine Spur von meinen Eltern. Allmählich keimt der Verdacht in mir auf, dass sie nie mehr zurückkommen werden.
    Der Geruch von Prosperos Rasierwasser hängt in den Fasern meines Kleides.
    Das Licht in meinem Zimmer ist anders als zuvor. Im hinteren Teil ist ein Fenster, das auf den Garten hinausgeht. Ich habe ihm noch nie viel Beachtung geschenkt, da es von Pflanzen halb überwuchert ist. Doch jetzt erkenne ich, dass einige Zweige zur Seite gebogen oder abgerissen wurden. Zum ersten Mal, seit wir hergekommen sind, kann ich hinaussehen. Und jeder, der sich im Garten aufhält, kann hereinsehen.
    Ich sehe mich nach einer Decke um, als ich die Schachtel auf meinem Bett bemerke. Manchmal kauft Vater mir Bücher und legt sie mir aufs Kopfkissen, aber dieses Geschenk ist größer. Es ist eine schwere Schachtel aus glänzendem Holz. Darin liegt eine kleine Maske.
    Ich halte den Atem an. Meine Finger tasten über den Namen, der auf die Oberfläche eingeschnitzt ist. FINN . Vater muss die Maske nach seinem Tod in Auftrag gegeben haben.
    Eine Maske für einen toten Jungen.
    Wahrscheinlich ist sie Henry ein bisschen zu groß. Das ist einer der Gründe, weshalb arme Leute ihren Kindern oft keine Masken kaufen – sie wachsen allzu schnell aus ihnen heraus.
    Ich muss die Maske Will bringen. Und zwar schleunigst. Ich musste zusehen, wie rapide sich Finns Zustand nach der Ansteckung verschlechtert hat. Ich weiß, wie schnell es gehen kann. Vorsichtig lege ich die Maske in die Schachtel zurück und stecke sie in einen ledernen Beutel, den ich aus meinem Schrank hole.
    Eilig ziehe ich mich um, befördere das Kleid mit einem Fußtritt in die Ecke und schlüpfe in mein schwarzes Lieblings-Samtkleid mit den sichtbar gekürzten Säumen. Es hat einen knapp bis zu den Knien reichenden Rock und ein Mieder, das sich leicht schnüren lässt. Ich fühle mich sehr wohl

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