Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)
Otto, und dieser Otto war sein Onkel. Man krönte die Qualität dieser Wurst 1936 mit einem Preis in Szeged. Tibor nahm einen kleinen ovalen Rahmen von der Wand, pustete den Staub weg und zeigte mir Eva im Alter von zehn Jahren, sie trug eine Violine im Arm. Er lobte ihr Talent, ihre künstlerisch musikalische Natur, die Umstände hatten sie gezwungen, einen Abschluss an der Mittleren Medizinschule zu machen, die Musik sei trotzdem immer ihre erste Leidenschaft geblieben. In diesem Moment machte sich Eva, als sie die Stimme ihres Vaters hörte, von draußen mit einem Pfeifen bemerkbar. Dann sahen wir sie in der Mitte des Gehöftes: Die Arme gen Himmel gestreckt, starrte sie nach oben auf eine Schar Vögel; sie flogen zielgerichtet, schnell wollten sie noch der Dunkelheit davonfliegen. In der Ferne sah man Glockentürme und am Horizont ging bereits die Sonne unter. Tibor erzählte, dass seine Tochter oft auf die Haselbäume kletterte, um sich den Sonnenuntergang anzuschauen.
Eva verabschiedete sich nicht von uns. Sie war einfach zum Tanzabend gegangen, wir saßen nur noch einen Moment zusammen. Die Bauersleute waren müde geworden, deshalb verabschiedeten wir uns von ihnen, draußen war es bereits dunkel. Am Ende der Gasse leuchtete kümmerlich eine Glühbirne, die man auf einem Pfeiler angebracht hatte. Und als wir gemeinsam die Gasse hinuntergingen, darauf aufpassten, dass wir nicht in die vielen Löcher fielen, sprach meine Tante mit einer vertraulichen Stimme von ihren Vorhaben, blieb immer öfter stehen, legte mir ihre Überlegungen dar und schmiedete ihre Pläne. »Ich will nur meinen Neffen versorgt wissen«, sagte sie. »Aber das Mädchen hat mich doch nicht einmal eines Blickes gewürdigt.« »Diese Frauenspielchen sind mir durch und durch bekannt, so lockt man eben einen Mann an«, sagte sie. »Du musst heiraten und deine Zukunft absichern, du hättest ein kommodes Zuhause, wo du schreiben könntest, fern jeder Armut und Erbsenzählerei. Ich habe ihre Familie genau studiert, die sterben alle jung, in zehn Jahren bist du der einzige Besitzer dieses ganzen Vermögens. Und wenn du genug von dieser Frau hast, überlässt du sie einfach mir, ich habe da meine eigenen magischen Tricks und Zaubermittel zur Hand, der Teufel trägt sie auf der Stelle fort, das sag ich dir, so schnell kannst du dir nicht einmal die Hände reiben«, sagte sie und klatschte in die Hände.
Wir gingen wieder zurück nach Hause, stritten uns und machten einander Vorwürfe. Wir fanden meinen Onkel am Esstisch vor, er war gerade dabei, seine Bürsten in zwei Gemüsekartons zu sortieren, die er mit verblichenem Zeitungspapier bedeckte. »Du musst den Staat bestehlen, wenn du deine Gefangenschaft irgendwie überleben willst«, sagte er und lachte, wie es für ihn typisch war, lauthals, wiehernd, wie ein Pferd.
Meine Tante erzählte wenig vom Besuch bei Tibor, den reichen Leuten und dem schönen Mädchen, sagte aber, sie sei durchaus in Gefahr, zu einer alten Jungfer zu verkommen, die Eltern seien panisch und hätten Angst um sie, sie würden sie sogar dem schwarzen Teufel geben, wenn sie nur endlich heiraten und man allenthalben darüber reden würde, dass Tibors Tochter vergeben sei. Über mich sagte sie, dass ich ein undankbarer und brüsker Neffe sei. »Du bist ein armes Würstchen, das nach den Sternen greift, wenn du nur wenigstens ein bisschen schöner wärst oder eben reich, aber nichts als Knochen bist du!« Und dabei verfiel sie wieder in ihren bäurisch-herzegowinischen Akzent. »Du zwingst mich ja förmlich, die Magie zu Hilfe zu nehmen«, sagte sie und schielte mit einem zugekniffenen Auge in meine Richtung.
Mein Onkel schlich freundlich um seine Frau herum, nannte sie schmeichelnd seine Hexe, die in der Lage sei, die Potenz eines Mannes außer Kraft zu setzen und aus einem geilen Bock einen impotenten Kümmerling zu machen. Weder hatte ich Angst vor Magie und diesem Zauberzeug, noch ließ ich mich auf irgendein hirnrissiges Gerede darüber ein, aber ich hatte das tiefe Bedürfnis, ihnen zu sagen, was ich vom neuen Beruf meiner Tante hielt. Ich hatte ohnehin vor am darauffolgenden Tag abzureisen, war jedoch von ihrer Güte abhängig, weil ich Geld für die Fahrkarte nach Belgrad brauchte. Dennoch musste ich meiner Tante sagen, dass ich überhaupt keine Lust hatte, in diesem Banater Schlamm mein Leben zu fristen, weil ich Größeres als die Heirat mit einer hirnamputierten Krankenschwester vorhatte. Dann legte ich dar, was ich
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