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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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sogar nackt, als sie mir die Tür öffnete, aber sie sprang rasch und fröhlich unter ihre Bettdecke zurück. All das war aufregend und entsetzlich.
    »Was suchst du hier in meinem Haus?«, fragte sie. »Wer bist du überhaupt?«
    »Ich bin dein Verlobter«, sagte ich, um geistreich zu erscheinen.
    Ich stand vor ihr und betrachtete sie, während sie von einer Lachsalve nach der anderen übermannt wurde. Sie konnte sich einfach nicht zusammenreißen. Warum? War ich etwa so ein komischer Vogel? Eva warf die Bettdecke zur Seite und fing an, mit ihren Beinen zu strampeln. Das war eigentlich mehr als infantil, und von einer reifen, dreißigjährigen Frau hatte ich so etwas nicht erwartet. Ich war schon ganz verrückt nach ihr, und sie führte mir diese gymnastischen Übungen vor! Ich war überfordert, und weil ich zu alledem auch noch unerfahren war, unternahm ich einfach nichts und sah fasziniert ihrer erotischen Darbietung zu. Blitzschnell sprang sie auf mich, wie eine Katze, legte ihre Arme um meinen Hals und schlang ihre Beine um meine Hüften. Schon allein hierfür hatte es sich gelohnt, das ganze Theater mit meiner Tante zu erleben und die unangenehmen Stunden mit ihr in einem Haus zu verbringen, um hier bei Eva zu sein. So haben wir uns kennengelernt, leidenschaftlich – wie sie es ausdrückte. Wir küssten uns den ganzen Vormittag, und nicht einmal erwähnte ich, dass ich mir Geld leihen wollte, ich dachte überhaupt nicht mehr an den Zug und an meine Rückreise. Gegen Mittag machte Eva uns etwas zu essen, Gänse-Rührei mit Speck, und am Nachmittag liebten wir uns in dem kleinen Zauberhäuschen, in dem ich mir schon mein Arbeitszimmer und mich als Verlobten vorstellte, der unter diesem Dach mit seiner Familie lebte. Seitdem ich das Haus meiner Tante verlassen hatte, lief alles anders, als ich es mir vorgestellt hatte; vor mir stand nun ein ganz neues Leben.
    Am Abend wartete Eva auf ihre Eltern, die auf dem Traktor nach Hause kamen, sie trat vor sie und gab unsere Verlobung bekannt. Das erste gemeinsame Abendessen begannen und beendeten wir mit dem Birnenschnaps Viljamovka und beim Essen redeten wir über alles Mögliche, die Siedler kamen nicht gut dabei weg und meine Tante auch nicht, wir nannten sie einvernehmlich eine Hexe. Eva war überzeugt davon, dass sie kleine Kinder verspeiste. Ihr Mann Aco Malesev ist in seinem vierzehnten Lebensjahr erblindet, ich erfuhr, dass sein Bruder seit zwanzig Jahren in der Irrenanstalt in Kovin war. Die ganze Familie, hatte Eva gesagt, trage im Blut den Erreger für die endemische Syphilis. »Sie stammen alle aus dem östlichen Serbien, der Inzest ist für sie eine normale sexuelle Handlung, so übertrug sich die Syphilis von Generation zu Generation«, sagte sie. Am Schluss hob Tibor das Glas zu einem Trinkspruch in die Höhe. Großzügig beraumte er eine sechsmonatige Verlobungszeit an, damit wir noch ein bisschen Bedenkzeit hatten und nichts überstürzten. »Denn die Ehe wird bei uns vor Gott und natürlich auch in unserer katholischen Kirche geschlossen«, sagte er. Die Verlobungszeit sei wie jede Übergangszeit nützlich, um Gewohnheiten und Charaktereigenschaften zu überdenken, die einen im gemeinsamen Leben begleiten würden.
    So ist es dazu gekommen, dass ich mich im Alter von zwanzig Jahren verlobt habe; kaum jemand wusste von meinem Abenteuer, und mir selbst kommt diese verrückte Episode rückblickend wie eine Erfindung vor. Manchmal habe ich das Gefühl, ich beschreibe das Leben eines fremden Menschen, keineswegs aber mein eigenes. Und eigentlich kommt das der Wahrheit auch sehr viel näher, was immer wir über uns schreiben, es ist immer die Beschreibung eines anderen. Da ich aber schon bei der Verlobung bin, möchte ich auch anstandshalber gestehen, dass ich auf der Suche nach einem Anker und einer Zufluchtsstätte war, und natürlich suchte ich auch einen Menschen, der meine abstrakte Sehnsucht nach Liebe erfüllen konnte.
    Das Leben eines Menschen, der kein eigenes Dach über dem Kopf und recht besehen nur Träume besaß, war in einem so wohlhabenden Haus keineswegs ein leichtes, von Fröhlichkeit konnte auch nicht die Rede sein. Die ungarischen Bauersleute waren auch keineswegs so naiv, sich von meinen poetischen Existenzideen oder gar Versprechen beeindrucken zu lassen. »Deine Luftschlösser kannst du ruhig weiterbauen, aber wir leben hier auf der Erde«, sagte Tibor. Manchmal half ich auch auf dem Grundstück, erledigte die eine oder andere leichte

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